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s L i b e r a l e T a g e b u c h
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Sammlung
Originaldokumente aus „Das Liberale
Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Homburger: Chance für neue Offenheit mit
Russland Der
russische Präsident Wladimir Putin hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz
scharfe Kritik an USA und NATO geübt. Washington hatte er für eine
Verschärfung der Krisen in der Welt verantwortlich gemacht. Die
sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit
HOMBURGER, warnte davor, diese Rede zu dramatisieren. Man müsse mit ihr
"klug" umgehen. Es sei dringend notwendig, mehr mit Russland zu
reden, sagte Homburger im Deutschlandradio Kultur. Die Rede habe gezeigt,
dass Russland sich nicht ernst genommen fühle. Hanns
Ostermann: Israel warnt vor einem
neuen Holocaust, Russland attackiert USA und NATO, ein Kalter Krieg war
genug, oder auch, Merkel fordert Iran und Syrien zum Einlenken auf. Die
internationale Sicherheitskonferenz war in allen Medien das Thema des
Wochenendes, nicht nur bei uns in Deutschland. Einmal mehr kamen alle nach
München, die in der Politik Rang und Namen haben oder hatten. Und wieder
einmal wurde deutlich, wie wichtig der Dialog für Frieden in der Welt ist, so
schwer er manchmal auch sein mag. Wir wollen im Deutschlandradio Kultur über
die Ergebnisse der Sicherheitskonferenz reden mit Birgit Homburger. Sie ist
die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion und die
sicherheitspolitische Sprecherin ihrer Partei. Guten Morgen Frau Homburger! Birgit
Homburger: Guten Morgen Herr
Ostermann! Ostermann: Lassen Sie uns mit dem Atomprogramm des Iran anfangen, einer
Bedrohung nicht nur für Israel, sondern für die gesamte Welt, auch wenn das
in München Teherans Chefunterhändler Laridschani natürlich anders sah. Ende
Februar läuft die 60-Tage-Frist der Vereinten Nationen aus. Hat es da was
gebracht, dass die iranische Position in München höchst selbst erläutert
wurde? Homburger: Ja, ich finde schon, dass das ein wichtiger Schritt war, weil
mit der Anwesenheit von Herrn Laridschani wurde auch signalisiert die
Gesprächsbereitschaft, und vor allen Dingen ist es natürlich ein wichtiger
Punkt, dass von den Ländern selbst dann auch mal ihre Positionen erläutert
werden, dass man dann auch versteht, wie da gedacht wird und man vielleicht
eben auch zu neuen Lösungen kommen kann. In der Tat ist die Beurteilung dieses Atomprogramms völlig
unterschiedlich. Das haben ja auch die Redner, beispielsweise Bundeskanzlerin
Merkel und andere, deutlich gemacht. Allerdings hat Herr Laridschani auch
signalisiert, dass man sich einen Verhandlungsweg vorstellen kann, und damit
ist zumindest noch einmal die Bereitschaft auch signalisiert worden, im
Gesprächswege zu einer Lösung zu kommen, und ich glaube, das war auch ein
wichtiges Signal. Ostermann: Wladimir Putin forderte gegenüber Teheran mehr Geduld. Aber
welche Rolle spielt der russische Präsident überhaupt, der einerseits
Gesprächsbereitschaft signalisiert, andererseits recht scharf NATO und USA
kritisierte? Homburger: Ja, in der Tat war die Rede, die Herr Putin hier gehalten hat,
eine Rede, mit der er Stärke demonstrieren wollte. Ich glaube,
es war auf der einen Seite ein Signal an die russische Innenpolitik, dass er
da stark auftritt, und er wollte dem Rest deutlich machen, dass man wissen
muss, dass Russland ein weltweiter Akteur mit Einfluss ist, und in der Tat
ist ja gerade in der Iran-Frage, aber auch in vielen anderen internationalen
Fragen bei Krisenherden Russland natürlich ein wichtiger Partner, und wir
werden mit Russland das Gespräch weiter brauchen und suchen müssen, um für
internationale Krisenherde dann auch eben Lösungen zu finden. Ostermann: Aber hat Wladimir Putin mit einer gewissen Kritik an den USA
beispielsweise nicht Recht, wenn er kritisiert die Errichtung eines Teils des
neuen US-Raketenabwehrsystems in Osteuropa? Müssen das die Russen nicht als
Provokation empfinden? Homburger: Also das ist in der Tat natürlich einer der Punkte, wo man sagen
muss, dass man da noch mal deutlich vor Augen geführt bekommen hat, dass es
dringend notwendig ist, über diese Dinge auch stärker mit Russland zu
sprechen, auch stärker zu kooperieren. Ich glaube, dass der NATO-Russland-Rat
eine gute Gelegenheit bietet, noch mal hier mit den Russen auch das Gespräch
zu suchen. Aber auf der anderen Seite muss man eben auch sehr deutlich sagen,
die Frage stellt sich schon, ob jemand, der im eigenen Land natürlich auch
seine Probleme hat, wenn man mal einen objektiven Blick auf die innere
Verfasstheit Russlands wirft, dann die moralische Legitimation hat, eine
solche Rede zu halten, wie sie Putin gehalten hat. Ostermann: Also Angriff ist die beste Verteidigung, nach diesem Motto
könnte er verfahren haben? Homburger: Das ist mit Sicherheit eine Rede gewesen, wo er stärker
demonstrieren wollte einerseits, aber auf der anderen Seite hat er auch mit
dieser Rede viel preisgegeben von der russischen Seele und tiefen
Verletzungen, die offensichtlich Russland hat. Man fühlt sich offenbar nicht
ernst genommen, sonst hätte er solche Drohgebärden nicht gemacht. Man hat
offensichtlich den Zerfall der Sowjetunion nicht überwunden, und man weiß
natürlich auch, dass man selbst Fehler gemacht hat, so dass frühere Staaten
des Warschauer Pakts und sogar frühere Teilrepubliken der Sowjetunion
zwischenzeitlich Mitglied bei der NATO sind, wenn ich denke an den Widerstand
Russlands beim Eintritt der baltischen Staaten in die NATO. Und dass man da
natürlich eine gewisse Sorge hat in Russland, kann ich verstehen, aber ich
glaube, das Grundproblem ist, dass man sehr genau weiß, dass man auch selbst
Fehler gemacht hat und diese Fehler allerdings auch nicht bereit ist zuzugestehen.
Ostermann: Umgekehrt machte das der amerikanische Verteidigungsminister in
München. Es sprach ja auch beispielsweise Senator McCain von den
Republikanern. Kann man sagen, dass möglicherweise die Amerikaner aus der
Geschichte, vor vier Jahren etwa begann der Krieg im Irak, aus der Geschichte
gelernt haben? Homburger: Ich glaube, dass die Art und Weise, wie im Augenblick in den USA
auch mit dem Irak umgegangen wird, schon noch problematisch ist. Man setzt
natürlich auf mehr Soldaten, man setzt auf die alte Strategie. Ich glaube,
dass das ein Fehler ist, aber in der Tat war die Rede des neuen
Verteidigungsministers Gates wirklich eine sehr interessante Rede. Es war auf der einen Seite ein Lehrstück an Gelassenheit und
Diplomatie in der Reaktion auf Putin, indem er einfach sagte, alte Spione
sprechen eine klare Sprache, dann aber sofort wieder ernst und sehr deutlich
gesagt hat, ein Kalter Krieg war genug, und das war ganz bemerkenswert, dass
Herr Gates auch in der Fragerunde zugegeben hat, dass die USA Fehler auch
gemacht hat in der Vergangenheit und dass man das sieht. Und das war,
wie ich finde, schon bemerkenswert. Das wäre unter Rumsfeld nach meinem
Dafürhalten undenkbar gewesen, und ich denke, das zeigt auch, dass man da
eine neue Offenheit hat und dass man vielleicht auch bestimmte Dinge bei den
amerikanischen Partnern erkannt hat. Ostermann: Frau Homburger, nur ganz kurz noch: Deutschland hat zurzeit den
Vorsitz in der EU. Wie schätzen Sie Reden und Handeln der Kanzlerin und ihres
Außenministers derzeit ein? Homburger: Die Rede der Bundeskanzlerin war ganz klar auf Konsens angelegt.
Sie hat agiert als Präsidentin der EU und der G8 und hat deutlich und klar
die Themen benannt auf der internationalen Agenda. Afghanistan, Iran hat eine
Rolle gespielt, Kosovo hat eine Rolle gespielt. Also sie
hat die Krisenherde genannt, hat auch deutlich gemacht, dass man dort
Lösungen finden muss, und hat sehr deutlich gemacht - und ich finde, das war
wichtig und auch sehr geschickt -, dass eben kein Land der Welt genug Macht,
Geld und Einfluss hat, sich allein diesen Herausforderungen zu stellen, dass
man die Zusammenarbeit braucht, und das war wiederum auch ein klares Signal,
und ich glaube, man muss jetzt einfach auch mit dieser Putin-Rede sehr
geschickt umgehen. Man kann auf der einen Seite diese Putin-Rede nicht
einfach nur wegwischen. Auf der anderen Seite darf man sie aber auch nicht
dramatisieren, und ich glaube, es ist jetzt eine Frage, wie man mit dieser
Rede umgeht. Wenn man klug damit umgeht, dann haben wir vielleicht sogar eine
Chance für neue Offenheit in den internationalen Beziehungen. |