Stand: 8. Januar 2005, 7:00
Das 10-Punkte-Programm zur Bundestagswahl 2006
Westerwelle stellte am 6. Januar 2005 anlässlich des inzwischen legendären Drei-König-Treffens in Stuttgart die wichtigsten Aussagen für das Programm der FDP zur
kommenden Bundestagswahl vor. Da der Text hier nicht im Kontext der Rede präsentiert ist, wurden geeignete redaktionelle Anpassungen vorgenommen.
1.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP werden Steuern gesenkt und Steuererklärungen vereinfacht
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Wir brauchen eine Steuerreform, die Mut macht für neue Investitionen. Deswegen muß eine grundlegende Steuerreform unser Steuersystem drastisch vereinfachen
und die Steuern deutlich senken. Dazu gehört der bekannte Drei-Stufen-Tarif mit 15, 25 und 35 Prozent Besteuerung. Wir wollen, daß Kinder fairer behandelt
werden (mit einem Freibetrag von 7.700 Euro). Wir wollen eine unbürokratische Zinsabgeltungssteuer von 25 Prozent, die auch international das Kapital wieder
nach Deutschland lockt. Die ausgesetzte Vermögensteuer muß endgültig abgeschafft werden, und die Eigenkapitalbildung gestärkt werden.
2.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP werden die Lohnzusatzkosten auf unter 40 Prozent gesenkt
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Die Lohnzusatzkosten von über 40 Prozent wirken wie eine gigantische Sondersteuer auf Arbeitsplätze im internationalen Wettbewerb. Deswegen
müssen die Bismarckschen Sozialversicherungen abgelöst werden:
Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung ein neues Gesundheitssystem durchsetzen. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das den Veränderungen
beim demographischen Wandel und dem Arbeitsmarkt gerecht wird. Deswegen wollen wir, entsprechend dem Beschluss auf unserem Dresdner Parteitag im Juni
2004, aus der Pflichtversicherung der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Pflicht zur Versicherung machen, in der die Bürgerinnen und Bürger selber entscheiden können, wie sie sich versichern.
Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung eine neue Pflegeversicherung durchsetzen. Bereits 2006, also ungefähr 10 Jahre nach der Einführung der Pflegeversicherung, werden die gesetzlich vorgeschriebenen Reserven
unterschritten sein. Die Pflegeversicherung ist deswegen in ein Kapitaldeckungsverfahren zu überführen.
Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung Eigenvorsorge gesetzlich
stärken, die alte „Riester-Rente“ muß attraktiver werden durch z.B. Vererbbarkeit und weniger Bürokratie.
3.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP wird die Verschuldung abgebaut
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Zur Haushaltssanierung muß eine unmittelbare lineare Subventionskürzung von 20 Prozent eingeführt werden. Alle finanzrelevanten Beschlüsse müssen
degressiv gestaltet werden und nach fünf Jahren auslaufen. Wenn sie verlängert werden sollen, brauchen sie dann eine neue parlamentarische Mehrheit.
Staatsbeteiligungen müssen weiter konsequent privatisiert werden. Wir haben in den Haushaltsdebatten nicht nur kritisiert, wir haben auch konkret gesagt, wie
der Haushalt in Ordnung gebracht werden kann. Mehr als 400 Anträge mit konkreten Vorschlägen hat die FDP in die Haushaltsdebatten eingebracht.
Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Deswegen hat
Haushaltssanierung Priorität. Statt auf die Verlängerung von Vergangenheit setzt die FDP auf Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung.
4.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP wird Bürokratie abgebaut
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Aus den Genehmigungsverfahren müssen Anmeldeverfahren werden. Erteilt eine Behörde einem Antrag innerhalb einer gewissen Frist keinen Bescheid, gilt der
Antrag als genehmigt. Wirtschaftslenkende Gesetze brauchen ein Verfallsdatum.
5.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP werden im Tarifrecht die Möglichkeiten betriebliche Bündnisse erweitert
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Das Günstigkeitsprinzip in §4, Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes muß neu definiert werden. Künftig kann auch ein geringerer Lohn oder eine längere
Arbeitszeit für den Erhalt oder die Schaffung eines Arbeitsplatzes günstiger sein, wenn 75 Prozent der abstimmenden Mitarbeiter des Unternehmens dem zustimmen. Der Kündigungsschutz muß Einstellungen erleichtern. Die
Mitbestimmung wird reformiert. Wir wollen hin zu einer Drittelparität.
6.
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Im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP kommt die Bildungsreform
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Die Bildungseinrichtungen brauchen neue Ideen und neues Geld. Deswegen ist allen Bildungseinrichtungen ein Höchstmaß an Autonomie zu geben. Sie sollen
selber über ihre Strukturen, ihre Inhalte und ihr Personal entscheiden. Der Bund soll sein bisheriges Hochschulrahmengesetz abschaffen. Wenn Hochschulen
Studiengebühren einführen wollen, dann sollen sie dies auch dürfen. Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung Bildung, Forschung und Wissenschaft Vorrang einräumen.
7.
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Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung das bisherige, abschreckende Gentechnik-Gesetz aufheben
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Deutschland braucht die Chancen sowohl in der humanen Gentechnik als auch in der grünen Gentechnik. Moderner Umweltschutz ist auch nur mit moderner
Technik wirksam. Wer Ökologie nur als Dosenpfandpolitik versteht, für den ist Umweltpolitik nur ein Alibi.
Wir sind für eine Gesamtstrategie, die den Zukunftsbereich der Bio- und
Gentechnologie nach Deutschland lockt, anstatt ihn ins Ausland zu vertreiben. Biotechnologie birgt aber auch neue Chancen des Heilens und Helfens. Wer die
Gentechnologie verteufelt, betreibt eine unmoralische Politik. Forschungsfreundlichkeit soll wieder zu einem Markenzeichen des Standortes Deutschland werden. Das gilt ausdrücklich auch für die Nukleartechnologie.
8.
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Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung die innere Liberalität ausbauen und unterstützen
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Das heißt auf der einen Seite, daß erreichte Fortschritte bei Zuwanderung, Staatsangehörigkeit und Lebenspartnerschaften nicht zurückgedreht werden. Wir
stehen zu allen Lebenspartnerschaften, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Ich möchte ganz persönlich anfügen: Daß bei den
Freien Demokraten das Privatleben von Politikern im politischen Wettstreit nicht instrumentalisiert wird, macht mich stolz auf unsere liberale Partei.
Daß wir einen Zuwanderungskompromiß erreichen konnten, ist auch ein Ergebnis der liberalen Gesetzentwürfe dazu. Wir müssen im wohlverstandenen
nationalen Interesse Zuwanderung steuern. Aber wer in Deutschland auf Dauer leben will, der muß sich auch integrieren. Wir verlangen keine völlige Anpassung.
Aber deutsche Sprachkenntnisse müssen wir verlangen, damit Einwanderer Teil der Gesellschaft werden können.
Auf der anderen Seite muß die FDP der durch die gesetzgeberischen
Maßnahmen von SPD, CDU, CSU und Grünen beschlossenen Tendenz zum gläsernen Bürger entgegen treten: Die Aufhebung des Bankgeheimnisses ab dem 1. April, die Zunahme von Telefonüberwachungen, die unkontrollierte
Weitergabe von deutschen Passagierdaten bringen immer mehr staatliche Eingriffe in die Freiheit der Bürger, ohne wirklich die Sicherheit zu erhöhen. Ich
glaube sogar, daß das sogenannte Luftsicherheitsgesetz, nachdem ein Passagierflugzeug auf Verdacht abgeschossen werden darf, eher ein Sicherheitsrisiko ist.
9.
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Die FDP wird im Falle einer Regierungsbeteiligung eine interessen-geleitete und werteorientierte Außen- und Europapolitik wieder- herstellen
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Die FDP will keine Achsenbildung gegen das transatlantische Bündnis. Wir
wollen eine konzeptionelle Außenpolitik, die die europäische Einigung vorantreibt und gleichzeitig die transatlantische Partnerschaft im nationalen Interesse wieder
zur außenpolitischen Priorität erhebt. Die derzeitige Bundesregierung kritisiert an den USA alles, und an Russland nichts. Der Volksrepublik China verspricht der
Bundeskanzler die Aufhebung des EU-Waffenembargos, obwohl Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international warnen, daß sich die
Menschenrechtssituation in China keineswegs verbessert hat. Wir sagen ja zu „Wandel durch Handel“. Aber Waffenhandel im Tausch gegen einen Sitz im Sicherheitsrat, das ist ein unmoralischer Kuhhandel.
10.
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Reform des politischen Systems. Die Politik ist zu weit weg von den Menschen
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Unser Föderalismus muß neu gegründet werden. Wir brauchen eine klare Trennung der politischen Ebenen. Wir brauchen entscheidungsfreudigere
Strukturen. Die Vertreter der FDP sind mit diesem klaren Programm in die Föderalismuskommission gegangen.
Nach dem Scheitern der Föderalismuskommission brauchen wir jetzt schnell
einen neuen Anlauf. Es war ein Konstruktionsfehler der Kommission, daß ausschließlich die Mächtigen darüber reden sollten, wie Macht abgegeben wird.
Wenn man einen Sumpf trocken legen will, darf man nicht die Frösche damit beauftragen. Diese Arbeit sollte von einem Reformkonvent - ähnlich dem
europäischen Verfassungskonvent - übernommen werden. Es dürfen nicht nur Ministerpräsidenten und Berufspolitiker, sondern es müssen auch
sachverständige Bürger mit einer gewissen Distanz an einem solchen Konvent mitwirken.
Die Bezahlung und Versorgung von Politikern muß reformiert werden. Die Höhe
der Entschädigung von Bundestagsabgeordneten soll von einer unabhängigen Kommission beim Bundespräsidenten festgelegt werden. Die Normalisierung der
Politikerversorgung nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt ist eine der wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen für eine Bürgergesellschaft. Wenn
die Politiker mehr Eigenverantwortung von den Bürgern verlangen, müssen sie mit gutem Beispiel vorangehen.
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