Stand: 5. April 2002, 18:00
Zur Zukunft von Europa
Zukunft auch von Europa ist unvermeidbar;
Zeit bleibt nicht stehen. Die Frage ist, ob Europa Wüste wird oder Kulturlandschaft bleibt. Ist Letzteres wünschenswert müssten die Menschen Europäer sein wollen, müssten die Menschen dazu kul- turelle, wirtschaftliche und staatliche Bindungen schaffen, pflegen und ausbauen.
Die Null-Linie haben “wir” längst hinter uns gelassen.
Die Ursprünge gehen vielleicht auf die Kelten, ganz bestimmt auf die Römer zurück. Das Christentum steuerte zu Europa Ligaturen bei, die heute nicht
wegzudenken sind, d.h., Europa ohne Christentum ist un-denkbar. Die Aussage gilt unabhängig davon, wie der einzelne Europäer zur christlichen Lehre steht. Einerseits ist festzustellen, dass
Angriffe auf die christliche Lehre, die christli- chen Kirchen Europa zurückwerfen würde; aber andererseits hat es in der bisherigen christlichen Ära schwerste Zerwürfnisse und Kriege
gegeben. Die Ursachenforschung ist hier nicht das Thema. Aber es ist ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen: Christentum und gemeinsame indo-germanische Wurzel sind keine ausreichenden Ligaturen;
auch weil diese keine Alleinstellungsmerkmale sind, also auch Andere davon jeweils etwas haben.
Geographische Konfiguration und fremdes, eventuell feindliches Äußeres binden. Europa also ohne 800.000.000 Amerikaner, auch ohne Russland/GUS? Mit
der Türkei? Was ist mit Südafrika, Australien, Äthiopien, Nigeria, Indien, Libanon, Israel? Einige Fälle scheinen einfach zu entscheiden zu sein. Aber Albanien und das Baskenland, ja. Unsere
Entscheidungen zu den Grenzen Europas sind ungemütlich willkürlich. Man muss das gut wissen.
Bereits an diesem Punkt ist liberale Geisteshaltung ein zentrales Thema.
Europa ist also wegen der Gefahr enttäuschter Erwartungen - von außen und von innen - komplex gefährdet. Erfolge und Fortschritte im Inneren können
die Gefahr von außen erhöhen und umgekehrt. Was wir im Inneren entscheiden wirkt sich auf das von außen sichtbare Kleid aus. Wir haben bestimmte Kleider zu tragen, aber die sind im Inneren
herzustellen.
Konzediert: Wir machen Europa wegen uns. Müssen andere sich fürchten?
(A)
Früher gab es in Europa Kriege, weil ... Das ist erledigt. Am gegenseitigen Ver- trauen aber ist zu arbeiten. Erstaunlich: Intensives Nachdenken
ergibt, dass Vertrauen die einzige Kernfrage ist. Die Einzige. Apodiktisch. Das hätten wir.
Also muss dem Einzelnen das Fremde Nicht-Fremd werden. Das gilt selbstver- ständlich auch für die einzelnen Fremden. Egal ob es sich um 100.000.000
oder nur 1.000.000 oder noch weniger Menschen handelt.
Kann jemand sagen, wie anders als mit liberaler Geisteshaltung dieses dicke Brett gebohrt werden soll? Etwa mit sozialistischem (Einheits-)System?
Das Erste also ist: Auch künftiges Europa besteht aus hoffentlich vielen sehr libera- len, aber eben auch aus weniger liberalen Teilen. Die analoge Position ist unter Deutsche Nation bereits dargestellt: Auch Sozialisten sind Mitglieder der Deutschen Nation. Keine Frage: Sozialistischere, d.h., weniger liberale Erschei- nungen sind Gegenstand intensiven Befassens. Toleranz selbstverständlich vorausgesetzt. Entscheidend ist: Die Europäer sollten sich gegenseitig nicht mit Stempeln traktieren. Weder im Tagesgeschäft noch in der Perspektive.
Das sehen nicht alle so. Etwa Lionel Jospin sagt der Zeitung Die Welt vom 5. April 2002 zufolge, er stünde föderalistischen Elementen nicht ablehnend gegenüber solange “die kulturelle, politische und demokratische Realität der Nationalstaaten
nicht in Vergessenheit gerät”. Ist es nicht zum Haareausrau- fen, wenn ein sicher ordentlicher Mann so spricht, möglicherweise so denkt? Bleiben wir ganz cool. Lieber Herr Jospin,
denken Sie doch mal mit Ihren sozia- listischen Genossen über die Notwendigkeit nach, dass wir in Europa dafür sor- gen müssen, die nationalen Kulturen zu stärken - Nicht-Vergessen
ist viel zu wenig. Erst wenn der Einzelne sich sicher fühlt, kann Vertrauen doch gedeihen. Keine Frage, sogar zwischen Nord-, Süd-, Ost- und Westdeutschland gibt es unterschiedliche Bedürfnisse zum Thema, erst recht also sind europaweit die Voraussetzungen für gegenseitiges Vertrauen unterschiedlich - fast wie Tag und Nacht. Nein, nein Nicht-Vergessen reicht nicht. Allerdings sollten wir nun nicht einer Förderorgie verfallen - das könnte zu viel Steuermittel kosten
; Liberale sagen “selbst sind Mann und Frau”. Und für etwas zu sorgen, ist eine Frage des individuellen Verhaltens. Positive Einstellung zu Freiheit. Makelloses
Verhal- ten. Funktionäre bleibt auf Euren Ämtern
. Habt Phantasie. Lehnt kulturellen Einheitsbrei ab; denn Einheitsbrei, das ist etwas für Sozialisten.
Schon im “Wiesbadener Programm der FDP von 1997
” wird Vielfalt als eines der vier Fundamente von Liberalismus erkannt und definiert. Und im Teil III, Ab- schnitt 14
“Das Europa der Bürger” steht dazu weitergehend:
“Die liberale Bürgergesellschaft denkt kosmopolitisch, handelt europäisch, wurzelt in
nationaler und regionaler Identität. Die gemeinsame europäische Kultur ist ein festes Fundament für ein vereintes Europa. Kulturelle Unterschiede sind Gewähr für Vielfalt in Europa.
Wir wollen Einheit in Vielfalt, denn Vielfalt ist Freiheit.”
Jedermann erkennt: Die zitierte Aussage hat Konsequenzen; das muss nicht weiter ausgeführt werden. Nicht enthalten ist: Auch Geduld ist erforderlich;
im Grunde genommen aber ist Geduld in Toleranz enthalten. Und: Nicht auf die krachend angekündigten großen Konzepte kommt es heute an. Die Fortschritte im Kleinen bringen uns weiter. Da jede
Minute Verspätung heute, eine Minute Verspätung in vielen Jahren zu Folge hat, ist “Machen. Machen. Machen.” gefor- dert. Jetzt. Heute. Liberale wissen: die 4 Buchstaben müssen sich eben
bewe- gen. Sozialistische Zumutbarkeitsbremsen, sind auf Jahre beschäftigt.
(B)
Nachdem wir unsere europäische Wiedervereinigung nun bauen, muss es Zeit, damit sicherlich auch Geld, für das geben, was Nicht-Europa ist. Europa
erzeugt u.a. Wohlstand. Wir wissen, dass und wie dieser Traum andernortes bedroht ist. Entwicklungshilfe, ist ein europäisches Thema. Die Verzichte bzw. die Finanz- mittelbeiträge dazu leisten
die Bürger in Europa (nicht die Staaten, wohlgemerkt). Nur wenn Europäer Europäer sein wollen, wird das ethische, vernünftigerweise Erforderliche geschehen.
Neben der Stärke der Masse hat Europa im Projekt Entwicklungshilfe die besse- ren Karten.
- Die Welt ist noch vielfältiger als Europa. Europäische Vielfalt bietet bezo- gen auf die Kulturen der Welt mehr Chancen, vulgär ausgedrückt,
“den Deckel für den Pott passend zu machen”. Europäische Kulturen müssen eben gepflegt und erhalten werden, denn Einheitskultur erzeugt Einheits- deckel - und die passen selten.
- Die gesamte Vielfalt der Welt ist für die Öffentlichkeit in herkömmlichen Nationalstaaten ohne Zweifel schwer zu vermitteln. Wenn die Europäer
sich also untereinander verständigen, untereinander Vertrauen entwickeln, werden sich stets die Mittler finden, um auf die Anliegen von Nicht-Euro- päern angemessen einzugehen. Gäbe es
nur Einheitskultur, wäre diese Fähigkeit verschüttet. Die angelsächsische Kultur hat sicher eine große Bedeutung in der Welt. Aber sie ist eben nur eine unter vielen Kulturen dieser Welt.
So hat etwa Amerikanische Politik seit 50 Jahren, trotz rührender, manchmal sogar naiver Hilfsbereitschaft doch erhebliche Schwierigkeiten, Rükschläge und Enttäuschungen erlebt. Es fehlt
den USA, ein singulärer kultureller Schmelztiegel, eben nur Schmelztiegel, der kosmopolitische Ansatz, den das Wiesbadener Programm der FDP postuliert, den Europa bietet. Nationale
Kulturen sind zu erhalten, zu pflegen. Lehrgäge für Spießer an VHS? Für Konservative, Sozialisten?
Man könnte es auch so sehen: Europäische Kultur ist in ihrer Vielfalt die erste Trainigsstufe für Frieden-Stiftendes Agieren auf der Weltbühne.
Nicht-Vergessen reicht dazu nicht.
(C)
Ohne Zweifel tragen Millionen aufgeklärter Bürger das Voranstehende mit. Aller- dings hapert es mit dem Machen. Die maßgeblichen deutschen und
europä- ischen Politiker disponieren die erforderlichen Mittel nicht. Konservative mauern; Sozialisten mauern.
Also können es nur die Liberalen richten. Sie erkennen verehrte Wähler, 18 % für die FDP ist am wenigsten ein Bon-Bon. Wollen sich die Liberalen
nicht blamieren und davon dürfen Sie ausgehen, sind einige weniger populäre Entscheidungen in den Parlamenten erforderlich. Es bleibt dabei, die Liberalen wollen 18 %
Mitbürger: Her mit dem Schwarzen Peter. Besser heute als morgen.
Mit Liberalen hat Europa eine gute Zukunft.
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