Stand: 26. August 2001, 8:00 / 16.08.01
Genetik, das Eingemachte
Hätte der Mensch keinen Selbsterhaltungstrieb, gäbe es Menschen nicht. Der Wille sich zu erhalten und zu reproduzieren ist
wesensbestimmende Eigenschaft des Menschen. Um diese Frage geht es im Zusammenhang mit “Gentechnik” viel unmittelbarer als bei allen anderen Problemen mit denen sich Menschen seit eh und je
befasst haben. Dennoch, Angst ist kein guter Ratgeber, obwohl nicht über- sehen werden darf, dass Gefühl und Sehnsucht von Freiheit etwa im Gewand der Forscherneugier im Prinzip wie eine Axt an der menschlicher Existenz wirken könnte. Obwohl “wir wissen, dass wir nichts wissen” sucht der Mensch, seinem inhärenten Freiheitswillen freien Lauf lassend das Gebiet der Genetik zu erschlie- ßen. Wie aber soll der Mensch sich verstehen, wenn der
Mensch doch nur der Mensch (selbst) ist. Ein Metermaß kann man auch nicht mit sich selbst messen. Vorsichtig ausgedrückt:
Es erscheint unvorstellbar, dass der Mensch sich je selbst verstehen wird. Und nun?
Zunächst: Da wir nicht wissen was wir tun, ist Vorsicht, anders als Angst, unver- zichtbarer Ratgeber. Die ethische Dimension kommt hinzu: Menschen
genetisch präparieren? Das wird, wohl vorgeschoben, als ungerecht betrachtet. Mangel an Selbstvertrauen erzeugt Misstrauen: Es könnten jene, die die Technik beherr- schen, andere
übervorteilen. Entscheidend aber ist: Wir kennen die Wirkung nicht; die Menschen können sich selbst zerstören wollen. Selbsterhaltungstrieb. Auch in diesem Zusammenhang gilt: Die Freiheit des Einzelnen muss mit der Freiheit des anderen kompatibel
sein. Gegen die gentechnische Präparation des Menschen, also seine Erzeugung durch Knopfdruck, spricht außerdem die dann naheliegende Überlegung, man dürfe Leben “auf Knopfdruck” nicht nur er- zeugen, sondern auch beenden. Obwohl Töten in Kriegen oder von nahen Ver- wandten aus dem Tierreich ethisch (leider) zulässig sind, ist das Tötungsverbot seit Moses immerhin und hoffentlich ein für alle Mal Verfassungsrecht.
Die Gedanken sind frei, Forscherdenken nicht zu verbieten. Aber Transparenz der Forschungstätigkeit ist ein Grundrecht, denn angesichts fehlenden
Wissens sind alle Menschen ‘quasi-persönlich’ betroffen. In späteren Zeiten wird Gentechnik Reproduktion und damit Leben der Menschen in heute kaum auszudenkender und heute besser nicht
auszusprechender Weise verändern; vielleicht sogar das Überleben des Menschen erst ermöglichen. So weit sind wir aber noch nicht. Einstweilen sind die ethischen Bedenken - eine Frage würdigen
Miteinander-Um- gehens - zu respektieren. Ausgehend von der Idee des Habeas Data gehört jeder Mensch am ehesten sich selber. Das gilt auch auf für sein Genom. Klonen im Sinne einer
Reproduktionshandlung unter Umständen also denkbar. Jedoch: Es darf mit Leben nicht experimentiert werden. Wie aber wollte man wissen, dass Klonen nachhaltig und erbpotent gleich lebensfähige
Menschen erzeugt? Es bleibt daher für die “Forschung” sehr wenig freier Spielraum. Das muss so sein, vermutlich so bleiben; auch wenn die Festlegung aus Forschersicht möglicher- weise
unbefriedigend ist. Aber zu Denken, zu Suchen ermutigen Liberale
aus- drücklich. Werden von der liberalen Wertepolitik nur einige Grundsätze berück- sichtigt, haben wir zu Optimismus jeden Anlass. Liberalismus!
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