Stand: 7. Dezember 2001, 8:00
PISA => Politische Inkompetenz schlägt A
larm
Die Verantwortlichen deutscher Kultusbürokratie sind schon Weltmeister der besonderen Art. Da fällt das Ausbildungswesen seit
Jahrzehnten durch billigende Untätigkeit und Unfähigkeit von SPD und CDU/CSU dem Wirtschaftswunder zum Opfer (zu wenig Investition in Bildung) und plötzlich, in wenigen Tagen, wissen alle,
“was zu tun ist”. Das Wochenereignis vom 3.-7.12.2001: Die PISA-Studie der OECD wurde mit Getöse durch den politischen Fleischwolf getrieben. Das Ergebnis wurde auf einem Meeting der
Kultusministerkonferenz erzeugt, abgesegnet und umgehend per PK und PM bekannt gegeben; lassen Sie sich die Worte aus Vopa-Feder, insbesondere die fett hervorgehobenen, teilweise widersprüchlichen
Aussagen in dem nicht veränderten Text der Kultusministerkonferenz (KMK), genüsslich auf der Zunge zergehen:
Kultusministerkonferenz beschließt konkrete Maßnahmen
zur Verbesserung der schulischen Bildung in Deutschland - Erste Konsequenzen aus den Ergebnissen der PISA-Studie -
Bonn. Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrer 296. Plenarsitzung am 05./06. Dezember 2001 erste Konsequenzen aus den
Ergebnissen der PISA-Studie gezogen.
"Die Kultusministerkonferenz legt zur PISA-Studie eine erste Einschätzung der Ergebnisse vor. Diese macht deutlich, dass die
Herausforderungen an das deutsche Schulwesen komplexe und differenzierte Antworten verlangen. Vor diesem Hintergrund
werden die Länder und die Kultusministerkonferenz in folgenden Handlungsfeldern vorrangig tätig werden:
- Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich
- Maßnahmen zur besseren Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule mit dem Ziel einer frühzeitigen Einschulung
- Maßnahmen zur Verbesserung der Grundschulbildung und durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden
Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge
- Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrations
hintergrund
- Maßnahmen zur konsequenten
Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Standards sowie eine ergebnisorientierte Evaluation
- Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität
der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil systematischer Schulentwicklung
- Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter
Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.
Hierbei können die Länder auf die bereits nach dem Erscheinen der TIMS-Studie eingeleiteten Maßnahmen aufbauen.
Die Kultusministerkonferenz vereinbart, sich fortlaufend über Initiativen und getroffene Maßnahmen der Länder zu den vorgenannten Handlungsfeldern
auszutauschen."
Das Liberale Tagebuch dazu: Für uns kultusverdutzte Menschen ist es offen- kundig wichtig zu wissen, dass sich unsere Kultur-Champions auch künftig “aus- tauschen” wollen. Da erteilt das Liberale Tagebuch den Rat: “Sicherheitsgurte” sehr gut anlegen und gut anziehen, das gibt eine atemberaubende Fahrt mit viel Reisespesen und Kosten; schon erste Schritte bestehen darin,
Maßnahmen auf Handlungsfeldern zu erkennen. Haste Worte? Und alles wurde im Brust- ton der Überzeugung mit viel Fremdwörtern garniert und ohne rot zu werden am 6.12.01. in Bonn
dargeboten. Und die wollen echt tätig werden. Statt Zeit auf Pressekonferenzen zu verplempern: Wären sie doch bloß bereits geworden.
Als ob der liberale Fuchs im sozialistischen Hühnerstall “unterwegs” wäre - was in Selbstbeschränkung doch streng verboten ist - hat die PISA unsere Vopas
in helle Aufregung versetzt. So ist das halt mit dem schlechten Gewissen. Oder geht es nur darum, das Terrain für Steuererhöhungen vorzubereiten? Oder geht es nur darum, die Ergebnisse so zu interpretieren, dass sich “wahlkampftech- nisch” gewollte Schlüsse daraus ziehen lassen? Oder geht es nur darum, den schwarzen Peter hin und her zu schummeln? Oder haben die Deutschen bei der OECD ganz einfach gepennt und eine Testmethode zugelassen, die zwar auf die USA, aber nicht auf das ballernde Land der Dichter und Denker passt? Oder wollte die Ministerin, Frau Dr. Annette Schavan auch mal einen in sozialistischer Rhetorik ablassen, um zu zeigen, dass CDU/CSU-Leute genauso gebildet sind, wie andere Dampfbacken? Oder ? Oder ? Oder?
Jedenfalls zieht die FDP der Vopa-Phalanx schon Jahre vor Erscheinen der ominösen Studie das bildungspolitische Fell über die Ohren.
Liberale wissen instinktiv, dass aus dem Bildungssystem zum Nutzen aller, insbesondere der Jugend, viel mehr herauszuholen ist. Dafür müssten wir Deutschen uns nicht von den Beamten der pikfeinen OECD vorführen lassen.
Lassen wir einmal dahingestellt, dass erst noch bewiesen werden sollte, ob die Ergebnisse der PISA
bezogen auf die verschiedenen Länder wirklich “signifikant” von einander abweichen. Seien wir hingegen einmal ganz nüchtern und überlegen wir gemeinsam, wie unser sicher auch “fremdinduziertes” Selbstbild so “konfiguriert” ist:
- Wir sind die Weltmeister vom Wirtschaftswunder. Bärenstark. Wir stehen auf “Treppchen”. Alle bewundern.
- Die DM war die stärkste große Währung dieser Welt. Die Bundesbank ...
- In Europa hatten wir (vor 1990) das höchste pro Kopf Einkommen
- Wir sind organisiert, diszipliniert, fleißig, ehrlich, pünktlich, korrekt (andere daher wohl nicht ...)
- Unsere Wehrmacht hat in einem Jahrhundert gleich zweimal ca. 70 % von Europa besetzt
- Das ist uns schlecht bekommen; daher leisten wir uns auf Kosten der Nerven der anderen nun Super-Oeks
- Wir organisieren die besten Events, Messen, Konferenzen - hier ist richtig was los. D muss “man” kennen.
- Wir sind nicht nur die Dichter, Denker und Musiker, sondern auch große Erfinder ...
- “Made in Germany”: Mercedes, Siemens, BMW, BASF (7 km Werksgelände), VW, Deutsche Bank, Thyssen-Krupp, Lufthansa, Bayer, MAN, Leopard-Panzer,
U-Boote, Pfälzer Wein, FAZ, SAP, Scharping ...
- Unsere perfekten Autobahnen, unsere perfekten Städte, Straßen und -beschilderungen, unsere Prachtbauten, unser imperial restauriertes Berlin,
unsere Sauberkeit (na ja), unsere Landschaften, unsere Gärten, unsere Tannen- und Laubwälder, unser Rhein, unsere Fachwerkhäuser, unsere Zoos, unsere Flughäfen ...
- Unsere Ethikkommission, unsere Arbeit für Bündnis, unsere Gesetze, unsere DIN, unsere VOB, unser GG
... alles perfekt ... wie aus dem Versandhauskatalog, wie aus dem Ei gepellt (“pellen” steht nicht im DUDEN) ...
Sogar die Nadelstreifen ...
- Unser Wirtschaftswunder-Sozialstaat vom Feinsten. Alles nach Recht und Ordnung: Eben Recht auf Ordnung.
Könnten wir uns angesichts des Befundes innerlich so großartig vorkommen, dass wir meinen, es sei gar nicht mehr nötig, effektiv zu leisten?
Ach. Schließlich kommt Kohle doch ganz offenkundig aus Steckdosen. Und könnte es sein, dass all dies schon die ganz Kleinen auf verschiedenen Wegen (so weit zumutbar) etwa mit der Muttermilch aufnehmen? Ach. Vielleicht dämmert es langsam doch. Noch bevor nämlich unsere unnachahmlichen
igittigittpolitischen Sprecher bei Bündnis 90 und bei den Vopas zu PISA
in Stellung gehen. Immerhin ist damit zu rechnen, dass sich auch der Herr Bundespräsident zum “Thema” sanft, antispaltend, sozial gerecht mahnend äußert. Und lange wird es nicht mehr dauern, bis orakelnd Immanuel Johann-Wolfgang Nida-Rümelin, unser oberster Bildungsbürger im Dienste der Bundesankündigungsregierung, ausführlich-profund, mit vielen Fremdwörtern und in der Gebildeten-Sprache der Frankfurter Schule sinnierend Michels bildungspolitische Gänsehaut versucht zu okkupieren. Die Strategen ‘98 von der SPD hatten schon recht: Es sollte dringend, egal was, modernisiert werden.
Es muss halt auch gemacht werden, liebe Freunde von CDU/CSU und SPD. Was werden die Entwicklungsländer denn von uns denken? Also, die Sache ist einigermaßen ernst zu nehmen. Wir müssen uns vermutlich halt etwas mehr am Riemen reißen und vor allem nicht so viel Ankündigen, nicht so viel Versprechen und nicht so furchtbar viel Quatschen, wie dies seit einigen Jahren immer mehr in Mode kommt.
Besser, verehrte Mitbürger: Wählen Sie gleich FDP, spätestens “18 2002”
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