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Stand: 15. Juli 2012, 08:00 / 4.+6.01.07 / 02.02.06, 18:00
neueste Änderungen kursiv gesetzt

Disjunkte gesellschaftliche Funktionszonen

        Mit Gelassenheit betrachtet, ist unser Politikbetrieb cha- otisch, partiell disfunktional, partiell nicht zweckmäßig, im wesentlichen selbstverständlich irrational. Allen Men- schen, insbesondere unseren Politikern sei bester Wille unterstellt - aber die Resultate ihrer Handlungen sind bei aller Qualität der Erklärungen eher unbefriedigend.

        Churchill hat wohl gesagt, Demokratie sei unter den schlech- testen noch die beste politische Organisation. In die Tonne mit dem Spruch. Er wird kurzerhand abgewandelt:

        Demokratie ist wunderbar. Wenn es Demokratie nicht gäbe, müsste sie sofort erfunden werden. Allerdings hat längst die Natur ihre Hände im Spiel: Demokratie stiftet Sinn; schon die Griechen haben das durch Herodot notieren lassen. Na also.

        Schimpfen viele, polemisiert Das Liberale Tagebuch? Und wie. Menschen über Menschen; geht doch gar nicht anders. Schließlich macht es wenig Sinn, über Esel oder Ochsen zu polemisieren; die können sich doch noch nicht einmal weh- ren - zwei Öffentlich-Rechtliche genügen; man stelle sich
        vor, die Menschen gingen am nächsten Morgen mit dem intellektuellen Kick zur Arbeit. Kick made at ARD, Kick made at ZDF?

Seit Jahrtausenden haben die Menschen herausgefunden, dass Ordnung und Verabredungen das Leben vereinfachen und erleichtern. Null Ordnung geht nicht. Weil etwa Oswald Metzger, Edmund Stoiber, Gregor Gysi oder Peer Steinbrück, den Liberalen die soziale Kälte vorwerfen würden? Nein, weil die Schwachen dann nicht nur von den Gewerkschaften untergebuttert würden und die Schwächsten vom sozio-ökonomischen Untergang bedroht wären. “100%” Ordnung? Schön wäre es. Das Nötige haben die Bürger der verflossenen DDR im Herbst 1989 lautstark schweigend mitgeteilt. Also gibt es ein Optimum. Bloß welches? Schließlich ändern sich laufend die sog. Randbedingungen: (a) die kostengünstig abbaubaren, natürlichen Rohstofflager gehen zu Neige, (b) Es gibt immer mehr Menschen und (c) die werden laufend schlauer. Dies, um nur Einiges zu notieren.

Schwierige Lage? Für Sozialisten und Konservative vielleicht. Nicht so für Liberale . Es gibt akzeptierte, teilweise bewährte Metaregeln:

  • Primat aber nicht Allzuständigkeit “der Politik”
  • Staat: Legislative-Exekutive-Judikative,
  • Zivilrecht-Verfassungsrecht-Strafrecht-Verwaltungsrecht-...-Völkerrecht,
  • Bildung: Primär-Sekundär-Tertiär,
  • Bundesstaat-Föderalstaat-Gemeindestaat,
  • sicher Vieles mehr.

Ob diese Regeln auch eingehalten werden ist allerdings umstritten. Bezogen auf Metaregeln wird die Diskussion nicht enden. Es gibt sicherlich Ärger und Probleme in Zusammenhang mit elender Propaganda und entsprechendem Quatschen durchaus Zuständiger. Was würde geschehen, wenn

Alle bei Allem mitreden, gar mitquatschen?

Potenziertes Chaos. Keine Sorge, schon jetzt gibt es zahllose Hürden gegen übermäßiges Mitreden (informelle Sitten, personelle Machtverhältnisse) oder mitbestimmen (Machtverhältnisse, Rechtsordnung). Der Souverän, selbstbeschränkt, darf alles. Der Politiker? Der Mensch in dieser Rolle: Nein, denn der Politiker ist - konsequent mit dem Idealtypus des Souveräns - sein Angestellter. Es passt das Bild vom Aufsichtsrat und Vorstand/Geschäftsführer. Da die AR-Sitzung des Souveräns nicht machbar ist, muss der Politiker die Vollmachten bekommen, die Politiker sich faktisch nehmen, also haben. Ihre Kernaufgabe ist sind Konfiguration und Durchsetzen der Rechtsordnung, so wie Vertretung des Souveräns. So entstehen die Verabredungen, Gebote und Verbote der Rechtsordnung, die zu Rechten und Pflichten des Souveräns “untereinander” führen. Viele, zu viele dieser Regelungen sind nicht zweckmäßig und sogar disfunktional. Einige Beispiele sind:

  • Die Zuständigkeitsüberschneidungen Bund / Länder. Resultat das systematische verwässern persönlicher Verantwortlichkeiten
  • Die Zuständigkeitsbeschränkungen der Gemeinden
  • Das Hereinreden von Sozialisten und Konservativen in die private Sphäre der Bürger
  • Die (politische) Bevormundung in Sachen Sozialversicherung
  • (inzwischen weitgehend behoben) das Durchdringen der politischen Sphäre durch die Lehrmeinung der Religionsgemeinschaften.
  • der gesamtgesellschaftliche Gestaltungsanspruch der Gewerkschaften. (Wer die Minderheiten-Meinung der Gewerkschaften nicht teilt, wird denunziert, Brachialgewalt auszuüben. Faktisch nimmt die Gewerkschaft in Deutschland, obwohl die Organisation nicht der politischen Sphäre zuzuordnen ist, das allgemein politische Mandat wahr).

Das Resultat überschneidender, doppelter Verantwortung (nicht die multipel-geteilte Verantwortung der Parlamentarier ist gemeint) sind gravierende Verhaltensstörungen, denn

Handlung und Haftung fallen vielfach auseinander.

Falsche Handlungen oder Unterlassungen (mit der Konsequenz der teilweise schwerwiegenden, globalen Diskunktionaliserung des
Gesellschafts-Organis- mus ) werden unter dieser Bedingung kaum oder gar nicht sanktioniert. Zwar lassen sich Überschneidungen der zugeordneten Zuständigkeiten und Verantwortung nicht völlig vermeiden, aber im hierarchischen Gebilde (Primat der Politik) sind diese Wirkungen angesichts des staatlichen Gewaltmonopols gravierender als in horizontalen Gebilden, deren Elemente unter Wettbewerb (Internet) stehen. Die Klage zur so genannten kollektiven Verantwortungslosigkeit und die Forderung nach Subsidiarität runden das Bild ab.

Selbstverständlich muss den Menschen “in der Politik” (angemessenes
(1) ) Eigeninteresse, gar im Interesse des Souveräns konzediert werden. Wenn aber der Berufseifer der Politiker durch Erweiterung ihrer die Zuständigkeit befriedet wird, damit Leben der Menschen erschwert, statt zu erleichtern, dann muss dem Treiben ganz deutlich das Stoppschild gezeigt werden. Seit Jahrhunderten gab es eine Entwicklung, die die Einrichtung disjunkter gesellschaftlicher Funktions- zonen zur Folge hatte. Hierzu zählen die Einführung der demokratischen Republik (also das Ende des Absolutismus) oder die Trennung von Kirche und Staat. Die Entwicklung ist jedoch in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahr- hunderts u.a. in Deutschland ins Stocken geraten. Es darf hierbei zunächst nicht übersehen werden, dass die sich ergebenden Bildungen (Begriff nach Hajek) der natürlichen Logik des trial/error und das Prinzip der Nachfrage auf Märkten ent- sprechen. Ralf Dahrendorf hat mit der Rollentheorie die Voraussetzung für das Verständnis des Phänomens beigetragen: die multiplen Rollenträger geraten in Rollenwidersprüche; die Rollen Einzelner überlagern sich. Willkürliche Funktionsarbitrage, die Konsequenz. Das Chaos wird größer als im Falle einer Abschaffung des Staates.

Erst die Kooperation, nicht Herrschaft oder Unterordnung einzelner Organe sichert das Überleben des Organismus. Dieses Prinzip hat sich im Fall von Lebewesen aller Art (offenkundig) bewährt. Um den Prozess von der Emotion der Interessen zu entlasten ist es günstig, auf die Logik der
System- und der Organisationstheorie zurückzugreifen. Bei Beachtung des Prinzips der disjunkten Funktionszonen reduziert sich die Komplexität der Gesellschaft und es verbessert sich bezogen auf jegliche eingesetzte Ressource der Output der Erwerbstätigkeit.
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(1) Nicht angemessen, sogar schlechte Propaganda, ist beispielsweise die 4seitige Anzeige zum Forschungsetat des Bundes in der FAS vom 31.12.06. Süffisant hinzugefügt: Da die Kanzlerin gegen die Todesstrafe eintritt, wäre es vielleicht besser gewesen, das Geld für eine entsprechende Bewusstseinspflege “der Bevölkerung” auszugeben.   

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Theorie