Stand: 16. Juli 2004, 11:00 / 27.12.03 / 15.03.01 / 12.05.00
Der Schmarrn, Schwachsinn und Unfug vom Konzept
der “sozialen Gerechtigkeit”(sG) bzw. seines “modernen” Synonyms der “sozialen Balance”(sB)
Selbstverständlich ließe sich auch titeln: Der Betrug von der sG/sB. Betrug?
Weil sG/sB erstens nicht definiert, zweitens nicht definierbar und drittens auch deswegen, nicht erreichbar sind. Etwa Soziale Gerechtigkeit erweist sich als beste Waffe im Arsenal heutiger Sozialisten.
Es wird schlicht stets mehr davon gefordert. Mehr sG, eine ad-aeternum-Parole. So blind unmoralisch Sozialisten und Sozialismus, dass sie 1998ff, besonders 2003, damit selber auf die sprich- wörtliche Schnauze gefallen sind. Die Konjunktur von sG/sB ist damit nichts als das Instrument, das die Durchschlagskraft liberaler Argumente anzeigt: Es ist der liberale Meinungsdruck, der Sozialisten zwingt, in wachsweiche Formulie- rungen auszuweichen. Ganz ähnlich wirkt das Postulat der Umverteilung. So- zialisten können es sich nicht leisten, offen für Sozialismus einzutreten. In Stein gemeißelt: Sozialisten handeln verlogen, also unmoralisch. Mehr noch So- zialismus ist eine
unmoralische Lehre, weil die Verheißungen, das Programm (so vorhanden) immer unerfüllbar, selbstverständlich auch unerfüllt, bleiben wer- den. Das soll sitzen, so wie Feuer unter dem Hintern sitzen beenden soll).
Das Folgende in der Fassung vom 12.05.2000 hat an Bedeutung in keiner Weise verloren:
Die SPD plakatierte in der letzten Phase der NRW-Landtags-Wahlkampagne 2000 ihre „traditionellen” Sprüche zur sozialen Gerechtigkeit.
Und die SPD scheint angesichts des gleichzeitig plakatierten Bildes von Wolfgang Clement, dem neuen Modernisierer im Westen, sogar stolz auf ihre Sprüche zu sein. Ob die SPD ihr unwürdiges
Spiel mit den Hoffnungen und Gefühlen der Menschen begreift? Anlass genug, das Thema hier noch einmal aufzugreifen.
Aus der Häufigkeit der Begriffe soziale und sonstige Gerechtigkeit in den Texten der SPD darf nicht geschlossen werden, die
Vorstellungen zur Gerechtigkeit seien auch nur ansatzweise konkretisiert. In seiner Rede vom 26. April 2000 bestehend aus 2831 Worten setzt Wolfgang Clement die Silben ‘gerecht’ immerhin 64 mal ein. 2,2 % der Wörter seiner Rede beinhalten also die Buchsta- benfolge ‘gerecht’. Zwar wird ‘gerecht’ vielfach wohlklingend und gleichsam jon- glierend in Bezug zu allen nur denkbaren Konzepten gesetzt; jegliche inhaltliche Bestimmung fehlt jedoch, ebenso wie der Bezug zu Verben, die Maßnahmen oder Aktionen beschreiben könnten. Zwar distanziert sich Clement von früheren Gerechtigkeitsvorstellungen; aber es bleibt völlig unklar, was konkret falsch war, bzw. was er heute so nicht mehr entscheiden würde. Selbstverständlich wird für keinen Leser der Texte bzw. Zuhörer der Rede erkennbar was künftig ‘gerecht’, außer Gerechtigkeit überhaupt, bedeuten soll. Ein beliebiges Beispiel:
„Das Bildungssystem wird
künftig mehr denn je zum Schlüssel für soziale Gerechtigkeit. Wie ernst wir ... die Forderung nach Gerechtig- keit auch in Zukunft nehmen, wird
daher vor allem in der Bildungspolitik sichtbar werden.”
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Alles klar? Danach bzw. davor kommt nichts, auch gar nichts, was dem eventuell
geneigten Leser in seinem Wunsch, Gerechtigkeit nach Clement zu verstehen weiterhelfen könnte. Wäre die SPD ein politischer Saftladen - Schwamm drüber.
Aber die SPD ist Bestandteil des demokratischen Deutschland seit 1863 in die- nender Funktion; mit schmerzlichen Opfern und teilweise großen Verdiensten.
Der Befund ist zum Heulen - insbesondere weil die SPD (wie die CDU/CSU) für den politischen Liberalismus potenzieller Koalitionspartner ist.
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Folgendes Experiment kann jeder durchführen; das Ergebnis wird ernüchternd
sein. Man gehe zu einem beliebigen Info Stand der SPD: „Ich bin ein Linker, möchte SPD wählen, was haben Sie zum Thema soziale Gerechtigkeit?” Sie
bekommen eventuell mündliche Erklärungen. „Nein, nein bitte Info-Material.” Et- was wird Ihnen überreicht. Finden Sie im Text keine Überschrift mit „Soziale Ge-
rechtigkeit”, rechthaberisch und barsch fragen: „Wo steht das hier?” Eventuell kommt einer neuer Text. Sie lassen sich auf keinerlei Erläuterung ein und lesen
in aller Ruhe und konzentriert den Text. Nach einer Weile, egal was Sie gelesen haben, unbedingt wohlwollend, um keinen Verdacht zu wecken: „Aha, gut, ich
habe das verstanden. Aber sagen Sie, wieviele Menschen in Deutschland sind denn von sozialer Ungerechtigkeit betroffen?” Jetzt erleben Sie einen Eiertanz von
hoher künstlerisher Qualität. Die Szene läßt sich bereichern, in dem Sie empört und laut Kommentare zu den unglaublichen sozialen Verhältnissen in Deutsch-
land abgeben. Es ist Zoff in der Bude, Ihre Gesprächspartner sind zufrieden und ... ahnungslos, während Sie hartnäckig bei der Frage nach der Anzahl der Betrof-
fenen bleiben. Sie werden keine Antwort bekommen. Schlagen Sie verständnis- voll 40 Millionen vor. Wahrscheinliche Antwort: „Nein, so viele nun wieder auch
nicht” 40 Tausend? Auch nicht (zu wenige, das ganze Theater wäre dann nicht gerechtfertigt). Nach längerem Hin und Her wird es Ihnen gelingen Ihrem Ge-
sprächspartner - sehr zögerlich - eine Zahl von 2 bis 4 Millionen zu entlocken; die Zahl unbedingt festhalten; hierbei können Sie die Verwirrung noch ein bißchen
steigern, wenn Sie laut miteinander überlegen, welche Kategorien in der Zahl enthalten sind: Studenten, Obdachlose, Alte, Junge, Babies ab wieviel Monaten,
Eltern mit mehr oder weniger als 5 Kindern und ob das denn alles geregelt sei. Bei Ihrem Genossen haben Sie die Vorstellung von einem bunten und reichhalti-
gen sozialen Zoo wachgerufen. Zufrieden, wird er nicht merken wie Sie ihn weiter vorführen. Sie ändern nämlich urplötzlich die Front und fragen: „Wieviel Kohle?”
Die Schwierigkeiten wiederholen sich gesteigert, denn Ihr Gesprächspartner hat mangels parteioffizieller Vorgaben nun das Problem, in aller Eile eine Durch-
schnittszahl zu erdenken; im sozialen Zoo gibt es nun einmal Individuen, die höhere Anspruche haben als andere; bei SPD-Genossen ist das so; wegen dem
Rechtsstaat und so. 500.000 EUR wird Ihr Partner nicht „fordern”; der Schluck aus der Pulle erscheint ihm zwar begehrenswert, aber doch etwas zu unver-
schämt; 5.000 EUR auch nicht, das ist nämlich zu wenig. Auf 50.000 EUR wird er sich einlassen. Sie rechnen und sagen trocken: „150 Milliarden EUR; das sind
doch weniger als 10 % des Sozialproduktes.” „Das muss die Bundesregierung (wegen der Sozialen Gerechtigkeit) gerecht gestalten”. Wenn Sie einen Ge-
sprächspartner haben, der etwas Ahnung hat, wird er Ihnen nicht konzedieren diesen Betrag aus dem Jahresetat des doch so reichen Deutschland zu zahlen.
Insbesondere Vorsicht mit den einfach gestrickten Kosten-Spar-Aposteln aus Eichelscher Schule (bedenken Sie, wie es dem Forschungsleiter am Jahresende
ergeht, wenn er seinen Etat nicht ausgibt, sondern ihn voller Stolz spart). Wenn Sie nun aus dem sozialen Zoo, den arbeitslosen, ehemaligen Geschäftsführer
einer städtischen GmbH herausholen, wird Ihr Partner meinen, der müsse die 50.000 EUR in einem Jahr bekommen. 150 Milliarden, Ihr Gespräch läuft sich tot.
Wenn Sie aus dem sozialen Zoo aber einen Studenten „ziehen”, können Sie Ihren Gesprächspartner dafür gewinnen, die 150 Milliarden in 10 Jahren (wenn
auch nur sehr, sehr selten so lange studiert wird) abzustottern. Und dann trium- phieren Sie: „15 Milliarden ist doch ein Betrag aus der Portokasse. Die Bundes-
regierung muß das regeln.” Den leicht konsternierten Genossen lassen Sie im Regen stehen, wenn Sie im Weggehen sagen: „Also, Ihre Konzepte zur sozialen
Ungerechtigkeit haben mich nur zum Teil überzeugt”. Nun aber sehr schnell weg- gehen, sonst werden Sie belehrt, Kohl hätte ja auch nichts getan und deswegen
könne nun die SPD dieses Problem nicht in einem Monat regeln, d.h., ebenfalls nichts mehr machen.
Während Sie vergnügt Ihr Liedchen pfeifen, sollten Sie den Film des soeben be-
endeten Gespräches bei sich noch einmal durchlaufen lassen; hierbei müssen Sie die Clement-Gedanken aus seiner Rede vom 26. April perfekt untermi-
schen und schließlich mit ein paar Spritzern aus Lafontaine/Schröder-Texten
, Parteitagsbeschlüssen, Koalitionsprogrammen, u.ä. aus den Jahren 1997-1999 gut würzen. Wenn Sie dann zu der Erkenntnis kommen: „
Die wissen offenbar nicht wovon sie reden”, liegen Sie goldrichtig. Die Qualifikation zum SPD-Po- litiker haben Sie damit allemal. Ist doch was? Oder?
Was die SPD konzeptionell bietet ist ein schändlicher Betrug - den Schmarrn von
der sozialen Gerechtigkeit, die programmatische Luftnummer von der eignetlich niemand weiß, was sie in jeglicher Hinsicht konkret bedeutet. Es ist nicht nur zum Heulen ...
Nachdem Sie sich ausge...weint haben, wird die Sonne wieder scheinen, es geht Ihnen auch besser. Und Sie werden einsehen: „nur die
FDP ist so frech wie ich selber, nur die FDP verfügt wie ich selber über den gedanklichen Pressluft- hammer, um betonierte Vorstellungen zu pulverisieren”. Und Sie werden jetzt
erneut triumphieren:
Ich wähle künftig FDP, denn
Liberale haben die besseren Ideen zur Gesellschaft freier Menschen. Voraussetzung: Wahrhaftigkeit nicht scheuen.
Für die fußläufige Demokratie in der Bürgergesellschaft
KStA vom 10. Mai 2000, Seite 6: Westerwelle, “Liberale wollen Parteien transparenter und bürgernäher”
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