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politische Ferkeleien

Stand: 25. Mai 2006, 21:00 / 21.05.04
letzte Änderungen kursiv gesetzt

Politische Ferkeleien

Meinungsfreiheit, das Adam-und-Eva der Menschlichkeit, also der Demokratie.

Auch Lüge ist im weitesten Sinn Meinung, jedoch soziales Gift. Daher gibt es zwar nicht immer die Pflicht, jedoch immer das Gebot zur Wahrheit. Was aber ist Wahrheit im Konkreten? Es beeinflusst doch Interpretation der Umwelt oft genug den Inhalt unserer Aussagen. Wenn der Handelnde auch nur den Anschein erweckt, (gewissenhaft) Wahrheit auszusagen, jedoch Umwelt und/oder Fakten absichtlich fehlinterpretiert oder gar ignoriert, ist die Aussage eine Lüge.

Das Innere des je Anderen zu erkennen, ist aber nicht wünschenswert; der Andere wäre nämlich seiner Freiheit beraubt.

Auch die Ungewissheit ob noch Wahrheit oder schon Lüge ausgesagt wird, ist ein Aspekt von Menschlichkeit mit der positiv zu leben ist. Nicht-Wahrheit kann schließlich auf Irrtum beruhen.

Den Anderen der Lüge zu bezichtigen kommt daher leicht auf tönernen Füße zu stehen; angesichts der beschriebenen Ungewissheit ist die damit verbundene moralische Disqualifikation nicht, bestenfalls selten, vertretbar.

Das Urteil der politischen Ferkelei, das Verhalten einer Person, umschifft die Klippe, ist weniger apodiktisch und bleibt - zugegeben - bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Gleichwohl bleibt es (1) beim hohen Anspruch den politischen Diskurs an Wahrheit zu orientieren und (2) ist Wissen an der Position des “ferkelnden” Mitbürgers individuell gemessen vorauszusetzen.

Diese Ferkeleien sind aufgefallen:

  1. 15.05.2004: Sybille Quenett weiß mit Sicherheit, das ein Privileg das Sonderrecht Einzelner oder einer Personengruppe ist. Sybille Quenett weiß auch, dass jedermann “das Recht” hat, eine Lebensversicherung zu kontrahieren. Privilegien sind beispielsweise die Kohlesubvention, die Agrarsubvention oder die Pensionsregelungen für Parlamentarier, die Liberale seit Jahren abschaffen wollen. Mit Liberale pochen auf Privileg (obendrein als Schlagzeile) handelt Quenett, einmal mehr, antiliberal; ist demgegenüber eine Pro-SPD-Grüne-CDU/CSU-Position denkbar? Dieses (anti-) parteiische Verhalten verträgt sich nicht mit der Ethik des Journalismus.
     
  2. 16.05.2004: DIE WELT (Autor nicht ausgewiesen) erläutert auf Seite 2 ein Foto mit Westerwelle (beim Verzehr eines Spargel) und Koch-Mehrin: “Der Spargel ist für die Partei, die gern die ‘Besserverdiener’ als Klientel begreift trefflich gewählt”. ... Gibt es eine solche Verlautbarung von Bundesparteita- gen oder des Präsidiums der FDP? DIE WELT, die Zeitung der Obrigkeits- staatler? DIE WELT, vielfach niveaulos, agiert häufig als Hauszeitung der CDU/CSU. Kampfblatt überregional? DIE WELT weiß ganz genau, dass diese Aussage falsch ist und in keiner Weise das Selbstverständnis der Parteimitglieder ist.
     
  3. 20.05.2004: Nahrungsmittel stillen Hunger. Haben Sie schon einmal ge- hört “gestillter Hunger” sei ein Ware? Eine besonders schlimme Ferkelei hat sich Bundespräsident Johannes Rau auf dem Ärztetag am 18. Mai ge- leistet: “Gesundheit ist keine Ware ... “ es folgten weitere Ausführungen, die letztlich einer Staatsmedizin das Wort reden. Rau weiß, dass Gesund- heit keine Ware ist; und Rau weiß auch, dass es eine solche Behauptung von relevanter Persönlichkeit ausgesprochen nicht gibt. Rau hat sich mit seiner Rede verhalten wie ein geistiger Heckenschütze.
     
  4. Im KStA, 13.05.2006, S.4 unter “Eine gefährliche Leichtigkeit des Seins”, Untertitel “Der FDP unter Westerwelle fehlt das Gefühl für das neue Ge- wicht der Werte”. Schon das ist stark, als ob etwa die derzeitige Regie- rungspolitik dies zum Ausdruck bringt. Der 4. Absatz ist jedoch eine glatte und großkalibrige Unverschämtheit:

    “Dahrendorf, längst nicht mehr FDP-Mitglied, ... Anfang dieses Jahres analysierte Dahrendorf in einem Beitrag über “die Versuchungen der Unfreiheit” die innenpolitischen Folgen des Terroranschlages vom 11. September: “Fast protestlos werden auch historisch neuere Grundrechte wie die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Es gibt extreme Beispiele für den fast unbemerkten Verlust an liberalen Grundwerten. Sogar die Folter wird nicht nur verwendet, sondern von manchen gerechtfertigt.” Dahrendorfs Text lässt sich auch wie ein Appell an seine ehemalige Partei lesen, die Grundprinzipien bürgerlicher Freiheit hochzuhalten”.

    Nicht geschrieben steht, dass in der FDP Folter etwa gerechtfertigt wird. Aber Dahrendorf als Kontrast der FDP zu bringen, zu beschreiben, dass Dahrendorf den Verlust von liberalen Grundwerten beklagt (was leider so gesehen werden muss) und vor dem Hintergrund zu interpretieren, dies sei ein Appell an die FDP, das ist nicht nur eine Ferkelei, sondern eine aus- gewachsene Sauerei. Und zwar eine der ganz üblen Sorte. Wo ist Franz Sommerfeld, Autor des Beitrages, wohl gewesen als
    unter heftigem Pro- test der FDP die Gesetze zur akustischen Wohnraumüberwachung, zum Europäischen Haftbefehl, zur Luftsicherheit und ab Herbst 2001 die sog. Schily-Gesetze verabschiedet wurden?

    Wenn sich der Chefredakteur einer namhaften Zeitung (LT: die Beste im Großen Westen) einen derartigen Fauxpas leistet, müssen wir uns über den mentalen Zustand der Republik nicht weiter wundern: Ideologische Verblendung, noch heftiger als “Gesundheit keine Ware” (s. Punkt 3). Ob unser Verleger den Beitrag gelesen hat? Vermutlich nicht, sonst hätte es Neuigkeiten in Köln gegeben.

 

 Wird fortgesetzt.

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