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Stand: 18. Mai 2004, 8:00 / 30.+19.03.02 / 12.12.01 / 10.12.01

Mensch in Gesellschaft und Staat

“Privat kommt vor dem Staat”, so WW am 6.5.2001 auf dem Bundesparteitag der FDP . Jenseits von der Notwendigkeit Herzen zu bewegen ist privat kommt vor dem Staat auch theoretisch, politisch abstrakt, eine “richtige” Aussage, ein “richtiges” Programm. Nicht nur, weil dies menschlicher Natur entspricht, sondern auch, weil Philosophie sowie Erkenntnistheorie methodisch zum gleichen Ergeb- nis führen. Insbesondere Karl Popper und Friedrich A. Hajek haben in der hohen Zeit des Sozialismus die Grundsteine hierzu gelegt: Um zu wissen, was für den Einzelnen gut und richtig ist, müsse die Gesellschaft verstehbar sein. Die Kom- plexität unserer Welt aber ist nicht zu durchdringen. Im Abschnitt Theorie werden dazu grundsätzliche Überlegungen zusammengestellt. Liberalismus ist aber nicht nur gefühlsmäßig und theoretisch, sondern weitergehend auch prag- matisch geboten: Dezentralisation reduziert Komplexität. In kleinen “Häpp- chen” lässt sich der Wunsch, uns selbst zu verstehen etwas besser erfüllen. Welt wird handhabbarer.

Wer vorstehende Aussagen als Banalität abtut, übersieht, dass “Privat kommt vor dem Staat” ganz konkrete so genannte “politische Konsequenzen” hat, haben muss, bzw. bestimmte Gestaltungen ausschließt.

Andererseits bringt es die “Natur” mit sich, dass Arbeitsteilung unter den Men- schen, vielfach bewährt, seit Urzeiten gesellschaftliche Praxis ist. Intrapersonelle Komplexität nimmt bedingt durch Arbeitsteilung (etwas?) ab, Vernetzung ist die Folge und interpersonelle Komplexität nimmt dagegen “unkontrolliert”, ja “unkon- trollierbar” zu. Dies haben die Menschen seit langem in Kauf genommen, obwohl jedermann weiß, dass der Ausfall nur eines Elementes die Überlebenschan- ce des Organismus (Gesellschaft) zumindest beeinträchtigt. Ferner werden Un-Gleichheit, Vereinzelung und Singularisierung durch zunehmende Arbeits- teilung verstärkt. Sind unter diesen Bedingungen “egoistisches Gewinnstreben” und besonders “unternehmerisches Gewinnstreben” die Axt an der Existenz von Gemeinschaften und Individuen?

Antwort dazu: Warum sollen extreme Bindungen - nichts anderes ist Sozialis- mus - vorgeschrieben sein, wenn Menschen so wie so, seit eh und je, individuell entscheidend, Bindungen verabreden und eingehen? Immerhin erzeugt doch bereits mäßige Staatlichkeit Verabredungen, also Bindungen mit der Besonder- heit, dass viele Individuen, die sich nie gesehen haben und die sich nie sehen werden, sich verhalten als ob sie persönlich untereinander gebunden wären. Aber unerschütterlich: Staat anonymisiert im Großen und, möglicherweise überra- schend, auch im Kleinen, in der individuellen Lebens- und Erlebnissphäre, denn nach voranstehenden Überlegungen, naheliegend:: Mensch-Mensch-Beziehun- gen sind durch Mensch-Staat(Gesellschaft)-Mensch-Beziehungen ersetzt. Dies wird konkret als:

  • Vertragsrecht (BGB, HGB, AktG, GmbHG, ... )
  • Risikoausgleich (Äußere Sicherheit, Sozialversicherung, ... )
  • Ordnungsrecht (Staatsrecht, Steuerrecht, Verwaltungsrecht, Innere
    Sicherheit, Strafrecht, Gewerbeordnung, Währung, ... )

jeweils spezifisch ausgeprägt von der Gemeinde- bis zur Weltebene. Der Nutzen staatlicher Organisation steht nicht zur Debatte. Staatliche Organisation ist im übrigen kulturell so wie wirtschaftlich gewollt und geprägt. Staatsbedingte Anonymisierung ein also in Kauf genommener, damit ebenfalls gewollter Zustand. Staat lässt sich als Bestandteil der bindungstechnischen Grundausstattung je- des Neugeborenen, späteren Gesellschafts-Menschen interpretieren (s. hierzu auch “das soziale Betriebssystem der Gesellschaft” in Staat und Person, Ab- schnitt (D), 3; die Physik der Bevölkerungsdichte hat selbstverständlich Einfluss auf die Konfiguration und Funktion staatlicher Institutionen und Organe. Generell gilt: Mehr Staat ist mehr Anonymisierung. Weniger Staat ist weniger Anonymi- sierung, denn die Menschen könnten Bindungen im letzteren Fall dann nur da- durch eingehen, dass sie sich privat darum kümmern. Also stärkt “Privat kommt vor dem Staat” gesellschaftliche Bindungen durch individuelle Konkretisierung. Dagegen sind Bürger-Staat-Bürger-Beziehungen, falls nicht gewollt, fiktiv; sie existieren auf dem Papier oder in Form von Handschellen unse- rer Polizei. Mehr Staat spaltet - auch unter diesem Gesichtspunkt.

Es ergibt sich als Fazit zweierlei:

  1. Im Bereich von (jeweils völlig abstraktem!!) Ordnungsrecht und Vertrags- recht werden Konventionen gesetzt, die das Eingehen von Bindungen in der Großgesellschaft mit Hilfe von Standards erleichtern. Unter dem Ge- sichtspunkt dieser Zielsetzung ist die konkrete Gestalt von Staat und Staatlichkeit also weder transzendent noch systematisch vorgegeben. Die Gestalt des staatlichen Subsystems der Gesellschaft ergibt sich damit aus ganz praktischen Überlegungen. Das Ausmaß “sinnvoller” Standardisierung ist stets umstritten. Der Streit darüber kann auch gar nicht enden, solange Evolution fortschreitet. Dass es Staat immer geben wird, die reine Existenz “eines” Staates sehr wohl transzendent ist, steht unzweifelhaft auf einem völlig anderen Blatt.
     
  2. Auch beim Risikoausgleich geht es darum, kollektiv zwingend, völlig ano- nyme Bindungen einzugehen. Da menschlicher Überlebensinstinkt, längst Ethik geworden, verlangt, kein Individuum untergehen zu lassen, bzw. verlangt stets bemüht zu sein, gefährdete Individuen zu erhalten, werden die Risiken großer Schäden, also solche, die das Individuum nach ver- nünftiger Einschätzung nicht bewältigen könnte, kollektiv getragen. Diese Praxis hat einen ungewöhnlich rationalen Kern: Prävention ist aus der Sicht des Verpflichteten wirtschaftlich, aus der Sicht des konkret Gefähr- deten durchaus bequem. So definierter Sozialstaat ist eine segensreiche Vorkehrung - vorausgesetzt, Selbstbestimmung ist nicht enteignet. Dass Sozialstaat leider hypertrophiert ist, weitergehend u.U. sogar soziale De- generation “fördert”, ist vielfach beschrieben worden. Hier sei kurz und bündig konstatiert: Sozialstaat in aktueller Fassung schädigt die Men- schen, die Gesellschaft. Wird Sozialismus, Staatswirtschaft oder das Primat des Gemeinwesens propagiert, so ist es unerlässlich, derartiges Verhalten als unmoralisch zu denunzieren. Jede sozialistische Lehre ist sogar zutiefst unmoralisch - ihre Verheißungen sind nie und nimmer zu erfüllen, nicht mehr als Propaganda, also insbesondere in der politischen Kommunikation eine glatte Lüge .

Aus liberaler Perspektive ist es schlicht und ergreifend unfair, machbare persön- liche Verantwortung im Staatsgebilde zu anonymisieren, d.h., zu sozialisieren,
d.h., Selbstbestimmung zu enteignen. Auch deswegen: “Privat kommt vor dem Staat”. Damit sind wir zur Ausgangsaussage zurückgekehrt.

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Gesellschaft