Stand: 8. Dezember 2005, 12:30 / 26.08.05 (letzte Änderungen kursiv gesetzt)
Freiheit erfordert die Abwesenheit von Rechten Anderer
Nur dann kann (i.S. von dürfen) das Individuum “frei” entscheiden u. entsprechend ohne Sanktionsfolge handeln. Benötigt oder will der Mensch, heute,
“seine” Bür- gerrechte? Ohne Zweifel aus liberaler Sicht.
Welche - qualitativ / quantitativ - Rechte? Und wer “erteilt” diese Rechte? Etwa “der Staat”? Gegenthese:
”Ich wähle nicht weil das Recht dazu habe, sondern weil ich bin.”
Damit die weiteren Überlegungen einen logischen Leitfaden bekommen, ist es nötig, einige grundsätzliche Überlegungen voran zu stellen.
Erst war die Erde, dann die zunächst primitiv organisierten Menschen. Die primitive Organisation entwickelten die Menschen zum Staat als “höchste” Organisationsform.
Scherte der Einzelne aus dem Verband der primitiven Organisation aus, verlor er die entsprechenden Vorteile; wechselt der Einzelne von einem Staat in den anderen, muss
er die Regeln des anderen Staates lernen. Schert der Mensch aus dem Staat aus, d.h., beachtet er nicht 100% der Regeln, wird er mit Sanktionen belegt. Die staatliche Organisation hat offenkundig so viele Vorteile, dass der
Einzelne bereit ist, das Risiko der Sanktion, bei irrtümlichem oder absichtlichen Regelverstoß inkauf zu nehmen.
Früher haben vom Volkszorn und Aufklärung bedrängte Fürsten gnädig Rechte erteilt. Diese Rechte nennt man bis heute Bürgerrechte. Ein problematischer Begriff unter normativem Gesichtspunkt.
Allerdings hilft die Überlegung, Rechte seien von der Natur vorgegeben nicht wei- ter. Zunächst gilt: “Natur” handelt genauso wenig wie Staat. Zweitens: Was
ist Natur? Gehört der Mensch auch zur Natur? Wenn ja: Gehört auch Gelerntes, menschliches Wissen im weitesten Sinn, zur Natur? Ist das Verhalten, das einzig Gesellschaft konfiguriert,
der Menschen also natürliches Verhalten?
Wenn zwei Menschen 140 kg von “a” nach “b” (gemeinsam) tragen wollen, verliert jeder die Freiheit zu tragen wann er will. Beide Menschen
verzichten also freiwillig auf die Freiheit zu tragen “wann sie wollen”.
Staat zu wollen, d.h., Rechte anderer zu akzeptieren, hat Freiheitsminderung zur Folge.
An diesem Punkt ist es unvermeidlich das Faktum der IST-Ungleichheit zwischen je zwei Menschen in die Überlegung einzubeziehen. So sind Menschen unterschiedlich mächtig
- andere zu Handlungen zu veranlassen, gar zu zwingen. Das kann für je zwei, erst Recht für die Vielen Vorteile, aber auch Nachteile haben. Erfahrung zum Nutzen “aller” ist positiv; aber ausbeuten zum Vorteil
eines Einzelnen zunächst nicht. Verkauft der Erfahrene dem Unerfahrenen sein Wissen, gibt es keine Ausbeutung, wenn die Verabredung freiwillig geschlossen wird. Ist Freiwilligkeit gegeben, wenn das Überleben des weniger
Mächtigen von der Erfahrung des Mächtigeren abhängt? Wir verlieren uns an diesem Punkt in einem Dschungel von Fällen, Situationen, Umständen.
Keine Theorie lichtet den Dschungel der gesellschaftlichen Komplexität.
Also Pragmatismus, was wollen die Menschen? Unter den Bedingungen der heutigen Welt, zumal bei Bestehen einer staatlichen Organisation, ist eine sehr kleine Teilmenge
aller Menschen, vielfach abhängig, jene die die Entscheidungen zur Gestaltung der Rechtsordnung im, hoffentlich legitimen, Auftrag aller fällt. Werden einige Gedanken übersprungen, stellt sich Frage nach dem Primat.
Unstrittig sind Konventionen praktisch: BGB, das beste Beispiel. Unstrittig müssen die Institutionen des Staates, nach liberaler Auffassung durch Steuern, finanziert
werden. Unstrittig gibt es in jedem modernen Staat eine Sozialpolitik; beispielsweise unentgeltliche Schulbildung oder die Sozialhilfe. Dies vorausgesetzt, gibt es die Möglichkeit die Rechtsordnung entweder nach dem Primat
der Gemeinschaft (Staat), dem Primat des Einzelnen oder gemischt (je nach Thema) zu entscheiden.
Nun ließe sich die Option “mehr Staat” per Totschlagargument verwerfen. Nicht betrachtet wird im Folgenden lediglich die Situation der akuten Krise.
Ist es aus Sicht des Menschen vernünftig, gar wünschenswert angesichts der tendenziell zunehmenden Komplexität (zunehmende Arbeitsteilung, Zunahme der Welt-Bevölkerung)
auf mehr Staat zu setzen? Ja, wenn viele, vielleicht alle Vorteile haben. Denkbar wäre, dass Freiräume gegeneinander aufgewogen werden. Bloß, nach welchen Kriterien soll das entschieden werden? Undenkbar, eine Freiheitsbilanz
für 82.500.000 Menschen in Deutschland zu erstellen. Wieviel Kategorien soll es dann geben? Wie wird auch das entschieden? Wir wissen aus der Geschichte, dass jene, die für mehr Staat, d.h., weniger Freiheit eintreten, die
Tendenz haben, die Verhältnisse dadurch zu vereinfachen, dass egalisiert wird. So ein Programm kann so attraktiv wirken, dass am Wahltag oder per Revolution die Menschen sich dafür entscheiden. Wenn aber der Zustand konkret
eingetreten ist, Geschichte lehrt es, werden die Menschen feststellen, dass ihre Erwartungen nicht eingetreten sind. Die Verhältnisse sind schon bei statischer Betrachtung komplex genug; erst Recht gilt dies unter den real
dynamischen Bedingungen. Schließlich ändern Menschen dann ihre Präferenzen und bei Vorliegen “neuer Daten” auch ihr Verhalten. Das alles soll, im Dienst künftiger Zufriedenheit voraus-gesehen werden. Unmöglich.
Liberale gehen konsequent den anderen Weg: Welche Freiheitsbeschränkungen sind unverzichtbar um offenkundige Missstände, etwa harte, lebensbedrohende Nachteile für
einzelne zu vermeiden? Keine Frage: “Mit Links” sind die erforderlichen Entscheidungen nicht zu treffen. Die Chance künftiger Zufriedenheit ist auf jeden Fall größer, wenn
die Einzelnen als Mitglieder der Gesamtheit nur ausnahmsweise auf ihre jeweils persönliche Freiheit verzichten.
Zunächst ist lesenswert, das Interview von Burkhard Hirsch
mit dem DLF am 28. Juli 2005 vor dem Hintergrund der Überwachung von Telefongesprächen. Eine Fülle von Themen werden querschnittsmäßig, im 10-Minuten-Interview nur kursorisch möglich, behandelt.
Es muss gesehen werden, dass bereits gewohnheitliche Wertsetzungen das Recht des Einzelnen mitbestimmen. Um dies im Einzelnen zu berücksichtigen und damit der Überblick
nicht verloren geht, wird - in vier Gruppen - die Fülle von Beziehungs-Situationen des Einzelnen betrachtet. Hierbei ist die herkömmliche Sphäre “der Bürgerrechte” erheblich erweitert, weil sich herausgestellt
hat, dass eine Vielzahl von Bestimmungen der Rechtsordnung den Einzelnen in der Wahrnehmung seiner Freiheit, folglich seiner Rechte, erheblich einschränken. Die Bedeutung der klassischen Bürgerrechte wird dadurch besser
sichtbar.
Detailausführungen folgen nach und nach:
(A) private Sphäre
Familie, Freundeskreis in Wohnungen
Familie, Freundeskreis im öffentlichen Raum
Zugang zu öffentlichen Einrichtungen
Verfügungen über das eigene Leben
Auszug aus der PM von Michael Kauch am 29.08.05:
“ ... Die FDP- Bundestagsfraktion hat bereits einen eigenen Antrag zur Patientenautonomie in den Bundestag eingebracht. Im Gegensatz zu den zerstrittenen anderen Fraktionen setzen die Liberalen konsequent auf das Selbstbestimmungsrecht nicht-einwilligungsfähiger Patienten. Nur die FDP hat zu Patientenverfügungen eine klare und einheitliche Position, die von einem Parteitagsbeschluss vom Mai 2005 untermauert wurde und die sich auch im Bundestagswahlprogramm findet.
Die FDP will konkret, dass Therapiewünsche und Therapiebegrenzungen durch Patientenverfügungen in jeder Krankheitsphase anzuerkennen sind. Eine Beschränkung der Wirksamkeit von Patientenverfügungen auf einen unwiderruflichen tödlichen Krankheitsverlauf lehnen wir ab. Zwangsbehandlungen sind mit dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Patienten nicht vereinbar. Allerdings ist jeweils zu prüfen, ob der in der Patientenverfügung verfügte Willen hinreichend konkret formuliert ist, ob Anzeichen für Willensänderungen bestehen und ob der Wille dem Patienten noch personal zurechenbar ist, etwa bei bestimmten Ausprägungen von Demenz.
Patientenverfügungen sollen nach Auffassung der FDP künftig schriftlich abzufassen sein. Dafür soll die Überprüfung des Willens des Patienten ohne Vormundschaftsgericht durch den Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigten erfolgen. Die Angehörigen und das Pflegepersonal sind anzuhören. Nur bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten bezüglich des Patientenwillens müsste das Vormundschaftsgericht entscheiden.
(B) Der Einzelne als Mitglied der Gesellschaft
Menschenwürde: Freiheit und Unversehrtheit
Etwa bei der SPD ist es üblich, zu formulieren:
“Jeder” ist “an Recht und Gesetz, an internationale Konventionen, aber auch an das Grundgesetz gebunden.” Diese Anschauung ist billig und völlig ungenügend. Freiheit und Unversehrtheit sind zu respektieren. Unabhängig davon, was in einer Rechtsordnung formuliert ist. Nun ist, wie im Fall el-Masri im Herbst 2005 vermutlich nur zufällig bekannt wurde, fehlerhaftes Handeln der mit Sicherheit beauftragten Staatsangestellten nicht völlig auszuschließen. Da andererseits “jeder”, etwa vor Kriminalität zu schützen ist, muss ein Ausgleich für jeden Einzelnen vorgesehen werden, der einem Irrtum zum Opfer fällt. Dazu hat die zuständige Führung ohne weiteres, etwa Klagen, tätig zu werden. Es kann nicht zu viel verlangt sein, von den Führungskräften im Sicherheitsapparat das reale Geschehen permanent auf mögliche Irrtümer zu überwachen. Wird ein Fall bekannt, ist sofortiges Handeln vorzuschreiben. Per Gesetz oder Verfassung. Sogar die selbsttätige Veröffentlichung der Verletzung von Freiheit oder Unversehrtheit Einzelner sollte gesetzlich, sanktionsbewehrt, vorgeschrieben sein.
Meinungsfreiheit
Es gab in der Dämmerung der Grünrotenzeit den Fall “Cicero”. Aus der Verfügungsgewalt Bundeskriminalamtes wurde aus Unterlagen über die Untersuchung zu
einem Fall schwerer Krimininalität zitiert. Otto Schily äußerte den Verdacht, der Journalist hätte die Beamten bestochen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte auch durch die Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigten. Dieses
Vorgehen ist unzulässig. Ggf. sind Gesetze zu ändern.
Meinungsfreiheit ist nur dann gewährleistet, wenn Journalisten absolut unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen können. Beim Fehlverhalten des Bestochenen ist anzusetzen.
Statt laufend unsinnige Gesetze zu produzieren, ist es nicht zu viel verlangt, dass etwa Sicherheitsfachleute ihre eigene Behörde “sicher machen”. Zugegeben: Die absolute Sicherheit gibt es nicht und es ist sicher
ein Nachteil, wenn Fehlverhalten von Journalisten in Zusammenhang mit “Meinungsfreiheit” nicht “beim Journalisten” ermittelt werden dürfen. Meinungsfreiheit ist jedoch ein so hohes Gut, dass bei
Güterabwägung diese Nachteile inkauf zu nehmen sind.
Zu Berichten, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe in den 90-er Jahren Journalisten beschattet, um undichte Stellen im eigenen Apparat aufzudecken, erklärte
am 11.11.05 Max Stadler: "Die öffentlichen Auskünfte von Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und BND-Chef August Hanning bezüglich der Observationen von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst sind noch unzureichend. Ähnlich wie in der Cicero-Affäre zeigt sich erneut ein Kernproblem: Mit der Zielsetzung, man müsse undichte Stellen im eigenen Apparat ausfindig machen, greifen Behörden massiv in den beruflichen, geschützten Bereich und sogar in die Privatsphäre von Journalisten ein. Hierfür sind künftig klarere Grenzziehungen notwendig."
Verkehrssitten
Keine Diskriminierung
Auszug aus einer PM von Sabine Leuteuheusser-Schnarrenberger vom 30.08.05: “...
Die FDP tritt seit Jahren für verbesserte Rahmenbedingungen für Lesben, Schwule und Transgender ein. Liberale fordern, daß das Verhältnis zwischen Rechten und Pflichten endlich ausgewogener wird. Dazu gehören notwendige Änderungen im Steuer- und Beamtenrecht, aber auch das volle Adoptionsrecht. Das wollen wir mit einem Ergänzungsgesetz zum derzeitigen Recht herstellen.
Im Bereich der Diskriminierungsfreiheit für Schwule und Lesben muß noch sehr viel mehr passieren. Es gibt zweifelsohne Handlungsbedarf, völlig unabhängig von den Vorgaben der EU, die die FDP selbstverständlich umsetzen will. Ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, das keine diskriminierende Bürokratie enthält, ist für mich das eigentliche Gebot der Stunde.
Um so wichtiger ist es, daß die FDP ein möglichst starkes Mandat für harte Verhandlungen mit dem möglichen Koalitionspartner CDU/CSU bekommt. Nur allein den Status Quo zu erhalten, das reicht nicht aus. Die volle Teilhabe aller Menschen unabhängig von der sexuellen Präferenz muß noch mehr im Bewußtsein der Menschen verankert werden.
Ich bin zuversichtlich, daß der gesellschaftliche Wandel in allen demokratischen Parteien ankommt."
Eigentum
Wirtschaftliche Tätigkeit
Steuern
Strafrecht
Straßenverkehr
(C) Kollektiver Risikoausgleich
Als Einführung PM von Rainer Brüderle am 29.08.2005:
“Uns bleiben höchstens noch 10 Jahre, um Deutschland wieder flott zu machen. Eine allgemeine Zustimmung für Veränderungen schaffen wir am besten, in dem wir eine steuerfinanzierte soziale Grundsicherung, wie das Bürgergeld, einführen. Auch wenn es noch so wichtig ist: Eine Verengung auf das Steuerthema reicht nicht aus. Nur wenn die Menschen wissen, dass sie sozial nicht abstürzen, können wir den Sozialstaat nachhaltig auf neue Beine stellen. Wird das nicht gemacht, verkämpft sich eine neue Regierung in Abwehrgefechten der organisierten Interessen, ohne voranzukommen. In einem permanenten Zustand der Verunsicherung und Konfrontation wird das nicht gelingen.
Sozialversicherung
Dienste an der Gemeinschaft
Einschränkung des Eigentumsrechtes
(D) Vertragsfreiheit
Arbeitsrecht
andere Grundbedürfnisse
Produktqualität
Wettbewerb
Vereine, Vereinigungen
Schließlich ist zu sehen, dass in Abhängigkeit der sozialen Stellung des Einzelnen die zulässigen Freiheitsgrade unterschiedliche Bedeutung haben und dass es für
Einzelne zwischen den o.a. Kategorien kompensatorische und verbösernde Zusammenhänge gibt. Das hängt auch damit zusammen, dass Freiheit in der westlichen Gesellschaft sehr stark in der Sphäre der Gefühle wahrgenommen, empfunden wird und verankert ist, also objektiver interpersoneller Beurteilung insofern nicht bzw. nur bedingt zugänglich ist. Das Urteil des BVerf vom 25.08.05 (Bundespräsident löst den Bundestag auf) hat hierzu Maßstäbe gesetzt.
Das vorstehende ist mit der wichtigste Grund dafür, dass Liberalismus so großen Wert auf die formalen Mindeststandards legen muss..Gleichwohl ist es aus liberaler Sicht ein schwerer Fehler, Freiheit etwa als Abwehrrecht zu definieren. Dieser Aufsatz müsste unweigerlich zur “Bibliothek” anschwellen. Im Freiheitsdschungel kann Freiheitsgefühl nicht aufkommen.
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