Stand: 10.+8. November 2002, 18:00 / 02.01.02 / 30.08.01 / 10.07.01
Marktversagen?
Normenversagen!
Marktversagen ist ein politischer Kampfbegriff. Es werden dem Phänomen des Marktes, gezielt ausgewählt, bestimmte Eigenschaften
zugeordnet, um im nächsten logischen Schritt auszusagen, was nicht sein soll, nicht sein kann oder nicht sein darf, folglich Marktwirtschaft eine inakzeptabel problematische Veran- staltung
sei. Die Denunziation von Marktversagen, eine Form von Gesellschafts- kritik, liefert den Buhmann und damit die Legitimation für Maßnahmen der Sozia- lisierung und Vergesellschaftung, die,
wie Sozialisten inzwischen genau wissen, wenn überhaupt, nur schrittweise, evolutiv, sozusagen in homöopathischer Do- sierung erreicht werden kann. Sogar “unbändige“ Sozialisten werden mit
dieser Strategie homöopathischer Dosierung an die Leine genommen; das Lager der an sozialistischer Zielsetzung Mitwirkenden wird organisatorisch gestärkt.
Das Wort Marktversagen
hat darüber hinaus wegen der psycholinguistischen Wirkung aus liberaler Sicht ungünstige politische Prägungen zur Folge.
Markt, ein Phänomen, nach Gabler, Wirtschaftslexikon, 14. Aufl., 1997:
Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, durch das sich Preise bilden.
Zunächst:
- Markt ist und kann nicht das Ziel
liberaler Politik sein. Liberale setzen Normen, zwecks Standardisierung relevanter Prozesse/Vorgänge und zwecks Kompensation extremer Ungleichheit zwischen Menschen, um Ausbeutung etwa durch Monopolisierung zu vermeiden. Das Resultat der Normierung ist der Gesellschaftsvertrag. In diesem Rahmen entfalten sich Märkte auf denen Wettbewerb herrscht.
- Markt ist kein Instrument. Sozialisten betrachten, verhaltensökono- misch geleitet, Markt dennoch als Instrument, weil ein „Instrument“ Gegenstand „politischen Gestaltung“ sein kann, sein darf oder etwa aufgrund sozialistisch
induzierten Handlungsdruckes gar “sein muss”.
(Ein) Markt findet unter beschreibbaren Bedingungen („einfach“) statt. Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere Personen, die Güter
produzieren und Perso- nen, die in Güteraustausch treten wollen. Gibt es diese Personen nicht, findet Markt nicht statt. Es kann also nur das (beinflussbare, veränderbare) Verhalten von
Individuen sein, das ggf. unerwünschte Resultate produziert. Das Verhalten der Individuen ist von einem Normen-Kosmos bestimmt, sinnvollerweise durchaus eingegrenzt. „Gibt“ es an einem Markt
also unerwünschte Resultate, ist dies auf Normenversagen zurückzuführen. „Ein Markt produziert unerwünschte Resultate” ist sprachlogisch so falsch wie die Aussage „ein PKW lacht“.
Wenn statt dessen daher Normenversagen adressiert wird, liegt der Ball im Feld derjenigen, die gestalten, regeln, gerecht oder sozial
sein wollen und sich damit unvermeidlich im Dschungel der Bevormundung von Menschen durch Menschen verlieren. Es kann eben nicht Markt, sondern nur das Verhalten von Individuen geregelt oder
normiert werden. Der für die Fortschreibung des Gesellschaftsver- trages zuständige Politiker ist also mit dem (aus seiner Sicht) zu regelnden, dem normierten Bürger befasst. Und ob sich der Bürger die Regelung gefallen lassen möchte, bzw. sich wie “vorgesehen” verhält, ist die stets spannende Fra- ge. Ganz anders jedoch ist es, wenn der Politiker Märkte, gar versagende (wie empörend), regeln und gestalten will. Eine derartige Absicht wirkt, sprachlogisch optimal verstärkt, unverfänglich und kann sogar als Wohltat verkauft werden.
Marktversagen.
Definition nach Gabler, a.a.O.: „Abweichen des Ergebnisses marktmäßiger Koor- dination von einem optimalen, mit Hilfe eines
Referenzmodelles abgeleiteten Ergebnisses. Die optimale Allokation von Gütern und Ressourcen ist nicht ge- währleistet.“ Als Ursachen für Marktversagen werden in dem Wirtschtslexikon unter
dem Stichwort Marktversagen genannt: Substitutionshemnisse, mangelnde Marktfähigkeit von Gütern, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen und Staatsversagen. Problematisch sei die Wahl des
Referenzmodelles und gefordert wird eine rationale Wirtschaftspolitik.
Kritik dazu: Optimale Allokation ist ein theoretisches Konstrukt. Wie wird im Ein- zelfall bestimmt, was optimale Allokation ist? Wer
ist im Einzelfall der Schieds- richter? Wieso ist ein Substitutionshemmnis unerwünscht? Wenn die Bedin- gungen nicht stimmen, ist doch völlig klar, dass sich etwa wegen mangelnder
Marktfähigkeit, so genannter Markgängigkeit (erwartetes Preis/Leistungsverhält- nis) eines Produktes (materiell, immateriell) kein Marktpreis bilden kann und deswegen der Austausch zwischen
Anbieter und Nachfrager nicht stattfindet.
Aber es gibt häufig „unerlaubte” Verhaltensweisen. Meistens, weil die Erwartung nicht oder wenig sanktioniert zu werden groß genug ist.
Dies ist der klassische Fall von Normenversagen oder gar Justizversagen. Idiotische Normen versagen natürlich immer. Unzweckmäßig konfigurierte Institutionen (Normen-Hardware) versagen
ebenfalls: Es wäre die Stunde der Parlamente, nämlich Beschlüsse herbeizuführen, um nicht erwünschte Zustände von Normen- oder Insititutionen- versagen zu beseitigen; kann sich ein Parlament nicht
einigen oder schließen Abgeordnete („politische Geschäftsführer“) schlechte Kompromisse, bleibt Nor- men-, Institutionen- oder Justizversagen erhalten.
Exkurs zur Optimalität von Allokation und zu Referenzmodellen.
Es handelt sich um ein idealtypisches Konstrukt ohne praktische Relevanz, weil Realität anders ist, daraus also nichts folgt. Darüber
hinaus scheitert jeder Ver- such, nachhaltig reale gesellschaftliche Strukturen und Verhaltensweisen in Erklärungsmodellen abzubilden, denn der dazu ablaufende gesellschaftliche
Prozess wird aus der Gesellschaft selbst heraus entwickelt und somit verändern schon Erkenntnisse hierzu die Gesellschaft in einer Weise, die das ursprünglich erwartete Prozessergebnis
mit-verändern. Anders ausgedrückt: Eine Theorie über das Verhalten eines Kollektivs von Individuen, verändert durch Kenntnisnahme oder Lernen „der Theorie“ das Bewusstsein der Mitglieder des
Kollektivs. In Kenntnis des Verhaltens der jeweils Anderen verändert sich individuelles Verhalten, um die Wirkung des theoriebeschriebenen Verhaltens der Anderen zu kon- terkarieren. Theorie
zerstört ihre Prämissen. Entgegen noch immer weit verbreiteter sozialistischer Planungsgläubigkeit ist dem zu Folge öffentlich
gemachte, entscheidungsrelevante Prognose gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung prinzipiell ungenau und ziemlich unsicher. Bereits die schottischen Sozialphilosophen und F.A.
Hajek (Konstruktivismus) belegen, dass zwischen „natürlichen” und „künstlichen” Phänomen in der Sozialwissenschaft nicht unterschieden werden darf, was darauf hinausläuft, dass soziale
Ordnungen zwar das Resultat menschlicher Handlungen, (überwiegend!) aber nicht das Resultat menschlichen Entwurfes seien. Auch Poppers Kritischer Rationalismus
ist diesem Denken eng verwandt.
Güter (8.11.2002)
Ein Gut ist, etwa nach Gabler, Wirtschaftslexikon, a.a.O., ein Mittel zur Befrie- digung menschlicher Bedürfnisse. Dieser umfassenden
Definition zufolge werden beispielsweise Kultur, Ausbildung, Gesundheit oder Sicherheit als Güter be- zeichnet. Sowohl die Natur der verschiedenen “Güter” (Sicherheit) wie auch das konkrete
gesellschaftliche Normengefüge (Ausbildung) bedingen fallweise, dass Postulate oder Regeln der Wirtschaftstheorie auf solche Güter nicht anwendbar sind. Dies wird etwa durch Feststellungen
wie suboptimale Allokation oder eben Marktversagen beschrieben. Grundschulbildung beispielsweise wird nicht nachgefragt, weil der Preis durch Steuern bereits zwangsentrichtet ist: Die Markt
für Grundschulbildung ist “wegnormiert”; aussen vor gelassen, ob Äußere Sicherheit als (ökonomisches) Gut überhaupt bezeicnet werden kann, wird in diesem Fall Sicherheit von den zuständigen
Organen des Staates allen Mitglie- dern der Gesellschaft oktroyiert: Äußere Sicherheit wird “am Markt” überhaupt nicht angeboten, weil diejenigen, die dazu gemäß Gesellschaftsvertrag in der
Lage wären dies nicht tun (dürfen).
Es steht dem Souverän (Staat im weiteren Sinn) zwar frei nach Gutdünken die Distribution einzelner “Güter” (etwa Sicherheit, Bildung,
PKW, Brötchen oder Medikamente) dem Staat (im engeren Sinn) zu übertragen, aber auf Basis der ökonomischen Theorie (etwa so genanntem Marktversagen) lässt sich die Not- wendigkeit staatlicher
Distribution nicht wissenschaftlich begründen.
Marktversagen am Kapital- und Geldmarkt? (10.11.2002)
Unter dem Titel Systemimanentes Marktversagen im kapitalistischen Geldsystem überlegt Maximilian Polling: Der Zins am Kapitalmarkt kann nicht auf Null sinken, bestimmte Signale des Marktes hätten also keine Wirkung und Knappheit wäre entgegen der Erfordernisse nicht beseitigt. Diese Überlegungen sind fehlerhaft, weil der lineare Verlauf der Nachfrage- und Angebotsfunktion kei- ne begründbare Gesetzmäßigkeit ist. Im Falle materieller Güter kann nicht er- wartet werden, dass die Anbieter in jedem Fall Preise unterhalb der “Bereitstel- lungskosten” (Logistik, Präsentation) akzeptieren; im Falle von Kapital wird der Anbieter sich die Risikoerwartung auf jeden Fall honorieren lassen. Im übrigen geht die Nachfrage nach unendlich, wenn Beschaffungskosten und Preis nach Null gehen. Möglicherweise führen Auffassungen wie “der Markt ist nicht ge- recht” oder “eine Marktwirtschaft entlohnt nicht Leistung, sondern Knappheit” zu den erwähnten Fehlschlüssen. Warum sollte der Nachfrager einen “ungerechten” Preis akzeptieren oder die “Leistung” des Anbieters honorieren? Nicht theoreti- sche Konstrukte bestimmen das Geschehen auf Märkten. Einzig das Interesse der Teilnehmer, die sich im übrigen einigen müssen, damit eine Transaktion stattfindet ist maßgeblich. Warum sollten Dritte intervenieren? Um Gerechtig- keit herzustellen? Ist es gerecht den Eigentümer liquider Mittel zu veranlassen, das Verlustrisiko des vergebenen Kredit zu ignorieren?
Schlussfolgerung
Es gibt kein Marktversagen; es gibt sehr wohl Normen- und Institutionenversa- gen; für die entsprechende Reparatur sind Politiker
(„politische Geschäftsführer“) verantwortlich. Verständlich also, dass Politiker, in Anlehnung an die Wirt- schaftslehre der Neigung verfallen (a) „ihr” „Unvermögen“ als „Marktversagen“ zu nirwanisieren bzw. (b) durch Denunziation von so genanntem Marktversagen das Sozialismus-Projekt voranzubringen. Sowohl (a) und (b) sind interessante Beispiele für Verhaltensökonomie.
Wenn argumentiert wird, die Trennung von Markt und Person sei nicht praxisrele- vant, weil Markt ein abstraktes Konstrukt sei (letzteres
stimmt), so kann man das nicht gelten lassen, weil Normgebung, die erfolgreich etwa “Marktversagen” vermeiden soll, (nachhaltige) Kenntnis von Gesellschaftstheorie voraussetzt. An-
gesichts der sozialwissenschaftlichen Unbestimmtheit
, liefe jedoch jedwede den Gesellschaftsvertrag insofern ergänzende Regel ins Leere. Es können nur Regeln, die das Verhalten
Einzelner bestimmen gestaltet werden. Sonst nichts. Das Phänomen des preisbildenden Zusammentreffens von Angebot und Nach- frage mit der Folge einer Transaktion (Markt) ist nicht zu
verändern. Wird ein Markt verboten ist auch dies eine Regel für das Verhalten von (potenziellen) An- bietern oder Nachfragern. Und die Aussage: “Markt X verboten, weil geeignete Regeln nicht gefunden werden können”, ist richtig und klingt zu Recht, eben ganz anders als „verboten wegen Marktversagens”. Der Ball gehört in das richtige Spielfeld.
Nur um Regeln geht es.
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