Stand: 9. April 2004, 8:00 / 16.04.02
Bananen-SPD in der Bundesbananenrepublik
Fragten wir wahllos etwa Norbert Rüther oder Manfred Biciste was sie sich bei der Gestaltung der politischen Apokalypse der traditionsreichen SPD gedacht haben,
wäre die wahrscheinlichste Antwort: ” Wir wollten nur das Beste für unse- re Partei”. Ein Betrag von immerhin ca. 400.000 EUR widerrechtlicher Einnahmen der Kölner SPD wurde genannt. In Zusammenhang mit dem
Bau der Kölner MVA gibt es, der Presse zufolge, “weitere” 14.000.000 EUR irregulärer Zahlungen. Das ist viel Geld. Hat die MVA in Köln 400.000.000 EUR gekostet, beträgt die Sum- me irregulärer Zahlungen
(beispielsweise als Bestechung) 3,5 % vom Auftrags- wert;
das ist im internationalen Vergleich der übliche Rahmen. Die Entscheiungs- träger der Kölner SPD wären gar nicht auffällig; schon viele haben weltweit genau so gehandelt.
Es mag sein, dass die handelnden SPD-Leute sich über die Implikation von 400.000 EUR zur weltweit, insbesondere die Eliten der Dritten Welt, vergiftenden
Korruption keine weiteren Gedanken gemacht haben. Das ist passiert in der Partei, die einst Willy Brandt für Entwicklungshilfe sensibilisierte, in der Leute wie Bundeskanzler Helmut Schmidt oder der legendäre Herbert
Wehner wirkten. Es kommt aber noch viel schlimmer.
Es kann keinen vernünftigen Zweifel geben, dass Rüther und Biciste wussten in welchem Umfang sie geltendes Recht ungeniert gebrochen haben; und ungeniert haben
sich weitere führende Leute der SPD infiziert; sie machten mit, wussten worum es ging und haben daher persönlich schweres Unrecht auf sich geladen. Möglicherweise haben sich alle Beteiligten mit ihrem Wissen gegenseitig
gestützt und kollektiv bestätigt. Ungemütlich schlimm ist Folgendes: Die relativ große Gruppe führender SPD-Leute predigte jahraus/jahrein unentwegt die so genannte soziale Gerechtigkeit, sie drückten die soziale
Tränendrüse auf hohem moralischen Ross sitzend und ... haben im gleichen Zuge ungeniert geltendes Recht aufs Schwerste gebrochen, sich unverdrossen um das Widersprüchliche ihres Verhaltens nicht geschert. Sicher, nach
Lenin rechtfertigt das Ziel die Mittel; aber in Deutschland ist dieses Prinzip nie hoffähig gewesen, darf also als Rechtfertigung nicht herangezogen werden. Das Verhalten der SPD-Führung in Köln ist definitiv und
augenfällig widersprüchlich. Anders ausgedrückt: Die Verkündung hehrer Prinzipien war/ist nichts als Opportunismus, kann gar nicht wirklich ernst gemeint sein. Und die Mitglieder und Wähler der SPD können nicht wissen,
wie diese Leute sich künftig verhalten hätten. Gibt es überhaupt eine Grenze für Untaten? Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Angelegenheit offenbar nur wegen mangelnder Vorsicht in dem Unternehmen des Spenders
aufgeflogen ist. Es hätte genauso gut alles unerkannt bleiben können. Diese Überlegung sprengt jede Vorstellungskraft. Und die Seilschaft muss sehr fest gefügt gewesen sein. Denn als Ende Februar / Anfang März 2002
ruchbar wurde, die Steuerfahndung sei unterwegs, gab es ungewöhnlich schnell die ersten Rück- tritte und die späten Selbstanzeigen. So funktionieren nur sehr gut eingefahrene Organisationen. Man weiß in solchem Betrieb
stets genau wer-was-wann-wofür zuständig ist; andernorts wird derartiges Know-how mit höchsten Gehältern vergütet. Überlegt man sich darüber hinaus, dass das Info-System trotz der vergleichsweise läppischen Beträge (die
14.000.000 bleiben aussen vor) wie geschmiert lief, ist kaltes Grausen nicht abzuwenden. Und der Kanzler, Gerhard Schröder, der OMM, hat verharmlosend von Kölner, also lokalen Problemen gesprochen; gute Nerven, fürwahr.
Apropos: Der Finanzmittelsegen hat die Wahlergebnisse in Köln verbessert. Das ist “oben” sicher angenehm aufgefallen. Aber niemand hat etwas gewusst.
Es hat in Köln praktisch alles was in der SPD Rang und Namen hatte, also die gesamte Führung mitgemacht. Das waren zum Teil Leute mit höchstem Ansehen, die als Vorgesetzte Ehrfurcht auslösten. Verdiente Genossen. Auch
außerhalb Köln hat niemand etwas gemerkt. Geschenkt - fällt schwer zu glauben. Ist niemand zu- ständig, wenn etwa vorauseilender Gehorsam Verhalten prägt? Wir wissen, dass auch in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts viele weggeschaut haben; das führte schon damals in die Katastrophe, ist also auch heute nicht zulässig, ins- besondere im Fall der SPD, die sich seit Jahren intensiv mit dem Problem von Rechtsradikalismus
befasst und herumschlägt. Die SPD-Führung in Berlin sei um Aufklärung und Reinigung bemüht. Da fehlen die selbstkritischen Tonlagen.
Am 6. März 2002 gab um 8:10 Uhr Inge Wettig-Danielmeier, Schatzmeis-
terin der Bundes-SPD, dem DLF ein Interview in dem sie u.a. ausführte, dass es “gegen solche ausdrücklich betrügerischen Absichten kein System gibt, was völlig resistent ist” und weiter: “Gegen kriminelle Energie ist kein Kraut gewachsen”. Die Aussagen sind ohne Zweifel richtig. Aber erst von den Mühen des Norbert Rüther und des Manfred Biciste für die Partei profitieren, die Leute dann mit den zitierten Bemerkungen wie heiße Kartoffeln fallen lassen - das ist menschlich mehr als schäbig. Schröder hat das sicher gehört; er soll schon in den Tagen davor getobt haben. Über Rüther, Biciste, Frau Wettig-Danielmeier oder über die verminderten Wahlchancen der SPD? Lassen wir das Vermuten. Schäbig ist nicht nur der Kartoffel-Fall, sondern auch die Absicht der obersten Parteiführung sich aus der Affäre herauszuhalten. Um ihre Unschuld zu belegen, erklärte die Schatzmeisterin der SPD im gleichen Interview: “Jede Spende über 1.000 Mark wird jedes Jahr überprüft,
ob eine vollständige Adresse dabei ist. Es werden Stichproben gemacht, ob die Adressen auch wirklich vorhanden sind.” Formalprüfungen, mit wasserdichten Gummi-Aussagen beschrieben - und einem
Heiligenschein so groß wie die Ringe des Saturn: “Wir machen an sich vor allen Dingen Schulungen, welche die Parteikassierer und Schatzmeister darauf hinweisen, wie sie das machen und
was sie auf keinen Fall machen dürfen”. Wurde da die Einladung zum Tanz geschult?
Zwischenfazit: Begabte, tüchtige, anerkannte Leute stehen nun da wie miese kleine Gauner - seit 1999 sind wir nun mit Enthüllungen der Kölner SPD befasst.
Tatzeitpunkte seit 1953? das wären keine zufälligen Ereignisse; hier kann nur systematisches Fehlverhalten vorliegen. Und: die günstigen Spendenquittungen gab es nur für die Mitglieder der Nomenklatura. Schmerzlich, ein
prima Typ wie Marc Eumann, MdL, war auch schon eingekauft und kompromittiert. Bananenre- publik mit Maffia-Strukturen wie aus dem Bilderbuch. Dazu Schröder: “Lokales Problem in Köln”. Frage an den OMM: Könnten Sie mal erklären warum
unsere Kölner SPD schlechter ist als andere Gliederungen Ihrer Partei?
Es gibt bei der SPD, bei Sozialisten
eben systematisch-strukturelle Probleme.
- Aufgrund der Mischung von Wirtschaft und Politik in den Händen der gleichen Personen geht Distanz verloren. Akteure, viel beschäftigt, verlie- ren den Überblick. Versuchungen aller Art werden katalysiert.
- Das rücksichtslose und schamlose Phrasendreschen, das Versprechen ohne die Gewissheit der Erfüllbarkeit, die Gummiformulierungen, um
nicht festgelegt werden zu können kulminieren in politischer Lüge. Politik spielt in ausgewachsener Moralwüste
- doch im Dienste der Partei - siehe Müllspendenkorruption ...
- Der politische Paternalismus, die Attitüden von Besserwisserei und Be- vormundung sind Treppen auf den Sockel der Unantastbarkeit. Bera- tungsresistenz ist lässlich. Fehlende Selbstkontrolle der zentralen Figuren ein Drama, weil die Gesellschaft in corpore mit versinken könnte.
Es wird unmittelbar deutlich, warum die liberale Geisteshaltung vor allen diesen Aberrationen besser, viel besser bewahrt:
- Liberalismus setzt auf Freiheit, d.h., Dezentralisation. Das Unfugpoten- zial (Begriff von Rainer Brüderle) in den Händen einzelner ist vermindert.
- Liberale Bürgergesellschaft erfordert hohe Bildung vom Einzelnen, der daher kritischer auf Phrasen reagiert. Da die Zuständigkeit des
politischen Subsystems der Gesellschaft im Verhältnis eingeschränkt ist, gibt es weniger Raum für Versprechungen aller Art. Die Bürger wissen, dass nur selbst sie ihr Leben gestalten können.
- Die liberale Partei toleriert, ja fördert den innerparteilichen Wettbe- werb. Es gibt keinen Bedarf für göttliche Gestalten, Inhaber letzter Wahrheiten.
Lässt man die Geschichte der Bundesrepublik vor dem geistigen Auge ablaufen, wird klar, warum die SPD, nicht weniger die
CDU/CSU, in diese Schwierigkeiten laufen mussten. Es ist schade, weil als Sünder Menschen
gefallen, Existenzen vernichtet sind, die wertvoll sind wie jeder/jede andere. Aber sie konnten es ein- fach nicht lassen. Besessenheit?
Die 30-Minuten Rede von Jürgen W. Möllemann
auf dem FDP-Parteitag, Juni 2000 in Nürnberg über das Ende des herkömmlichen Parteienstaates und die da- her erforderliche
Strategie 18, nachvollziehbar und leider (bisher?) gescheitert, liest sich, erst recht noch heute,
wie eine Prophetie. Aber Möllemann kannte seine Pappenheimer, wusste wovon er sprach, wird noch heute, nach seinem Tod, auch deswegen angefeindet.
Liberale müssen demütiger sein, denn wir haben erst angefangen - mit 18 2002, derzeit stehen wir, wie seit 50 Jahren, bei 7-8%.
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