Stand: 30. September 2009 (geringfügige Änderungen zur Verbesserung der Verständlichkeit) 16.11.04 / 26.05.04 / 09.03.03 / 16.12.02 / 25.11.02
Krise der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD) ...
... tödliche Krise?
Kurzfassung:
In der Folge des 2. Weltkrieges entfaltete sich in Deutschland das vielgepriesene Wirt- schaftswunder, das allerdings seit ca. 20 Jahren
allmählich verblasst. In der gleichen Zeit haben CDU/CSU und SPD das Konzept des Wohlfahrt- und Sozialstaates kreiert. Erträge seien besser zu verteilen, soziale Gerechtigkeit, nie definiert, das Muss jeder modernen
Gesellschaft. Seit 1995 hat die SPD ihren Meinungsdruck verstärkt und “Soziale Gerech- tigkeit” als Motto in den BT-Wahlkampagnen von 1998 und 2002 instrumentalisiert. Inzwischen meinen viele, dass die
Idee, unverändert eine Konzept-Hülse, nicht “finan- zierbar” ist. Die SPD ist auf ihren Verheißungen sitzen geblieben. Wahlbetrug, die gän- gige Vokabel im Herbst 2002 - ohne Chance der SPD sich dagegen
überhaupt zu wehren; allenfalls mit Gegenvorwürfen kann die SPD derzeit operieren. Die SPD gerät in das Dilemma:
- Es führen schamlos populistische, egobessesene Opportunisten oder
- Die SPD will eine voll-sozialistische Gesellschaft.
Meinungsfreiheit selbstverständlich, egal wie sich die SPD entscheidet, sind beide Alternativen für die Verdiente und Traditionsreiche gewiss
nicht schmeichelhaft.
Sozialpolitik nach Kassenlage
: Krise das Resultat. Schade?
“Tut was - gegen meine Krokodilstränen ... “
Gliederung
Konzediert, in Zeiten von Wahlkampagnen hat nüchterner Sinn für Machbares, nahtlos bis zur Lüge sich entfaltend, stets weniger Konjunktur als in
anderen, Nicht-Wahlkampagnen-Zeiten. Der Wettbewerb der Parteien um die besseren Argumente, der Machtkampf der “Mächtigen” fordert hohen Ethik- gar Moral- tribut. Jetzt. Auch 3002? Aber es bleibt ein Tribut. Die Prognose blühender Land- schaften von 1990 war ein solcher Fall. Hatten Schröder, Lafontaine und SPD bereits 1998 einen draufgelegt, hat das Verhalten von Schröder, Eichel und SPD nun, 2002, den Rahmen gesprengt. Ist dieser Tribut noch akzeptabel? Im Dienste von Demokratie durchaus; allerdings von Demokratie mit Perspektive. Nicht zu beantworten die Frage: Ausrutscher oder Prinzip? Der Wettbewerb der Parteien enthemmt; die Effektivität der rationalen Vollzugskontrolle manchen Akteurs lässt zu wünschen übrig. So weit, zugespitzt beschrieben, der Befund.
Wollen die Akteure all dieses? These: Sie können nicht (mehr?) anders.
Also eher Prinzip. Vermutlich gibt es Konsequenzen. So oder anders.
Im Grunde genommen wäre eine nationale, bzw. eine Staatskrise “fällig”, weil seit den Zeiten des Wirtschaftswunders die Deutschen sich im Konsens von Par- teien
und Verbänden fremd- und eigeninduziert ein Selbstbild zurechtge- legt haben, das rationalen Erwartungen heute nicht mehr standhält. Ist Verant- wortung dafür, dass diese Diskrepanz so lange jeder Erschütterung standhielt, an bestimmten (i.S. von definierten) politischen Akteuren fest zu machen?
Ahnung und Einsicht, folglich auch emotionale Erwartungen zurücknehmen zu müssen, erzeugt übelste Laune. Unsicherheit verfestigt, ja betoniert
Besitz- stand-Denken.
Sozial- u. Subventionskassen aller Art, Wirtschaftsviagra 2002? Vertrauen aber ist hinüber. Es macht folglich keinen Sinn, das früher konfigurierte Vertrauenskonzept heute einzufordern; es hätte laufend aktualisiert werden müs- sen. Es hilft alles nichts, vormals gültige Einsichten - etwa das erwähnte Selbst- bild - sind nicht mehr gültig; wir benötigen andere Verhaltensweisen. Damit ha- pert es.
Sogar (besonders) in der Elite.
(A) Als Viele viel arbeiteten: 1948 - 1980
Die Zeiten als öffentliche Verwaltungen Probleme hatten, etatisierte Finanzmittel fristgemäß bis Sylvester auszugeben, werden wenige erinnern. Das
waren die Zeiten als großzügig konzipierte Kündigungsschutzregeln und das legendäre soziale Netz geknüpft wurden. Die Sicherungen wurde selten benötigt, die dem entsprechenden Aufwendungen hielten sich in Grenzen.
Sozialstaat für das schö- ne Wetter? Damals nicht zu entscheiden. Jedoch zeichnete sich bald nach 1980 ab, dass sowohl SPD wie CDU/CSU schon seit der Kanzlerschaft von Ludwig Erhard die Prämissen für den Sozialstaat
schlicht “verdrängt” hatten. Statt diese Prämissen aktualisiert in politisches Handeln, zumindest verspätet, einzuführen, wurde das Glanzbild des Wirtschaftswunderlandes Deutschland um die Idee des
Sozial- und Wohlfahrtstaates
erweitert. Angesichts etwa allmählich steigender Arbeitslosigkeit gab es zunehmend Anlass die Segnungen des Wohlfahrtstaates (für alle) zu thematisieren; das von der Rechtsprechung seit den fünfziger Jahren nach und nach vom Zivil- in das Verfassungs- und das Sozialrecht übernommene Konzept der Unzumutbarkeit war Katalysator für Angebote “der Politik”, Wün- sche der Wähler und schließlich beschlossener exekutiver Maßnahmen so wie Gesetze.
Unmöglich der Faszination der Zumutbarkeit nicht zu erliegen - die Portokasse zahlte jedes “Angebot” Zumutbarkeit herzustellen;
bescheuert, wer da nicht zu- langte. Hierbei wurden erstens die Konsequenzen obwaltender sozialer Gerech- tigkeit nie zu Ende gedacht und zweitens Soziale Gerechtigkeit (wie viel be- kommen, wie viel geben) nicht einmal definiert. Während die SPD mit Duldung der CDU/CSU am künftigen Glück der Menschen baute, fuhren diese unbeküm- mert zum Ballermann: “Der Staat, auch die Wirtschaft, bestimmen meinen Fi- nanzbedarf, ich, Einzelner, kann dazu (glücklicherweise?) eh nichts beitragen, sollte das Geld zum Leben nicht ausreichen, weiß ich aus Erfahrung, dass “der Staat” und die Gewerkschaften dies zu regeln verstehen”. Letzteres lassen sich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage 8 Mio Bürger
1% vom Brutto- Lohn kosten. Und tausende, vielfach tüchtige Funktionäre waren mit Posten, Po- sitionen in allen Bereichen der Gesellschaft beschäftigt, ja versorgt. Soziale Ge- rechtigkeit für jeden, der objektiv oder nur subjektiv zu kurz gekommen war? Also: Heile Welt für die Versorgten, durchgesetzt gegen fehlende soziale Sensi- bilität der Reichen bei, oh Freude, geklärtem sozialen Status der Eliten. Alle waren/sind zufrieden:
Deutschland, erste Hälfte der achtziger Jahre ...
(B) ... voriges Jahrhundert endete der Arbeitselan: 1980 - 1998
Zu dieser Zeit hatte das legendäre Lambsdorf-Papier (September 1982) längst den Meilenstein gesetzt: Die FDP warnte zunächst zögerlich, später jedoch laut- stark. Die SPD, rückfällig, ‘68- u. Kalte-Krieg-geschädigt, hat diese Warnung nie aufgegriffen, statt dessen, das Glanzbild des Wirtschaftswunder-Deutschland weiterhin kraftvoll propagiert, dies mit dem apodiktischen Gebot der Sozialen Ge- rechtigkeit angereichert und sich später zusätzlich auf die Sozialneid- und So- zialhetzekampagne von Oskar Lafontaine, die bekanntlich strukturell zum Wesen der SPD gehört, gestützt. Durch systematische Erhöhung der Staatsquote wurde die Sozialstaat-Illusion und das Versprechen von Sozialer Gerechtigkeit bis weit in die mittleren Leistungsklassen wahrnehmbar, also interessant; die Denunzia- tion von sozialer Kälte, das Sahnehäubchen sozialistischer Propaganda grenzte aus und ließ das Glanzbild unseres, selbstverständlich exklusiv von der SPD ver- tretenen, Wohlfahrt- und Sozialstaates in noch schöneren Farben leuchten - ob- wohl eine Branche wie etwa der Schwermaschinenbau längst in die tödliche Kri- se geraten war; Arroganz, Bequemlichkeit (= technisch und kaufmännisch “war- mes” Anziehen), erlahmender Wille zur Spitzenleistung und neureiche Attitüde hatten romlike einst stolze Unternehmen zur Strecke gebracht. Obwohl etwa die IG-Metall, auch andere, die Krise erkannten, verharrte die SPD in ihrer Wirt- schaftswunder-Trance ... und ... konservierte damit u.a. ihre jahrzehntealte Sorg- los-Korruption. Am politischen Markt gab es - verständlicherweise - steigend reißenden Absatz für die Verheißungen der pfiffigerweise entgrenzten Sozialen Gerechtigkeit - im Wohlfahrtsstaat. Die Vorboten der Einsichten von April 1997 (Adlon) und Herbst 2002 kuschelten bei der SPD, die entsprechend viele Wah- len gewann; Verdrängen wurde positiv verstärkt ... und niemand ging hin ...
Die SPD-Wahlerfolge in den Bundesländern (ab ca. 1985) sind allerdings mit der Hypothek von unfassbar leichtsinningen - leider verführt und
korumpiert Macht - Versprechungen belastet, die die “politische Zahlungsfähigkeit” der Deutschen aufs äußerste beanspruchen. Heute.
(C)
Viele meinen, der politische Konkurs sei, bei aller Tüchtigkeit der Menschen hier zu Lande, nicht abzuwenden; besonders gravierend, denn die
Deutschen tragen unter anderem auch Verantwortung für die Europäische Union.
(D)
Was etwa die CDU/CSU falsch sieht: Die Vermittlungs-Probleme der SPD heute, Dezember 2002, beruhen nicht auf konzeptionslosem
“Gewurschtele”. Die SPD muss sich sowohl mit den konkret formulierten wie mit ihren insinuierten, jeden- falls nicht erfüllbaren Versprechen aus der jüngsten Vergangenheit auseinander- setzen, ja
herumschlagen. Lügen haben doch kurze Beine. Bleibt die SPD auf dem Wirtschaftswunder-Glanzbild sitzen? Machtbesessen-abhängige Demokra- ten oder unbelehrbare Sozialisten? Durchaus eine Frage zur Identität der SPD.
(E) Die SPD hält ihren Kurs: 1998 - 2002
Heute, den 10.12.2002 seien in der SPD Streitereien ausgebrochen. Der Kanzler sei wütend; wer alles sonst, ist leicht zu ahnen. Aber das ist nur
Oberfläche.
Die SPD hat in den letzten Jahren und Wochen eine Politik gefahren, die sich zu unentrinnbaren Dilemma auswächst, was am Beispiel ausgewählter Fälle gut veranschaulicht werden kann:
(E-1)
Die Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002
. Die SPD hat vermutlich nicht ernsthaft damit gerechnet, die Wahl vom 22.9.2002 noch zu gewinnen. Da- her war die SPD nicht recht vorbereitet. Dennoch
die SPD trägt - bisher - unsere Demokratie und ist, wie man gerne formuliert, sogar staatstragend. Die SPD muss also können - aus dem Stand. Und die SPD beansprucht darüber hinaus Reformmotor zu sein. Reformmotor ist
aber eine Partei nicht schon, wenn in einem solchen Dokument
- 57 mal der Wortstamm “modern”
- 63 mal der Wortstamm “gerecht”
- 77 mal der Wortstamm “nachhaltig”
- 96 mal der Wortstamm “sozial” oder
- 125 mal der Wortstamm “fördern”
eingesetzt wird. Bei unübertroffener Schwammigkeit, fehlender Stringenz wird dem Leser schwindlig: Wer versteht
das SPD-Dokument? Wollte die SPD über- haupt verstanden werden? Angesichts von 4 Mio Arbeitslosen auf das sogenann- te Hartz-Konzept mit der kontextuellen Aussage von 2 Mio weniger Arbeitslo- sen in 3 Jahren (bis 1.9.2005)
zu setzen, ist schlicht frivol. Peter Hartz hat sich inzwischen distanziert. Wer glaubt der SPD, dass sie sich von der Unhaltbarkeit (u.a. wegen der Durchsetzbarkeit) der vom Autor angekündigten Wirkung von vor- ne herein nicht völlig im Klaren war? Und wenn die Hartz-Prognose als “Desinfor- mation” billigend in Kauf genommen wurde, mit dem Ziel, um den Wahltermin he- rum Wähler zu “beeinflussen”, dann hätten wir es mit raffiniertester Lüge zu tun. Sind Wahlkampagnen “nur” Schachspiel der Argumente im eiskalt-seelenlosen Poker zur Befriedigung des Ego fähiger Leute? Mag sein, dass schlechtes Ge- wissen der Akteure zur Inflation der oben aufgelisteten Begriffe etwa in der Koali- tionsvereinbarung vom 16.10.2002 veranlasst hat. Wie steht es mit jedoch mit dem Gehalt von Wahrhaftigkeit in diesem Dokument? Nicht irgend jemand hat sich so fehlverhalten: Es ist die SPD, die Partei mit den hehren moralischen An- sprüchen (Gerechtigkeit, Solidarität), mit großen Verdiensten, mit bitteren Opfern für die Sache, an der noch heute die Hoffnung von Millionen hängt ...
Ist vorstellbar, dass eine solche Partei, die SPD, doch versagt? Gibt es ein Recht so unfassbar leichtfertig zu versagen? Anscheinend, denn sogar
die Kirchen schweigen ... dazu.
(E-2)
Beitragssatzsicherungsgesetz - BSSichG. Vor den Wahlen hatte die SPD mit Nachdruck angekündigt, es würden die Beiträge zu den
Sozialversicherungskas- sen im Herbst 2002 nicht steigen; wer diese Einschätzung nicht teilte, wurde als Panik- und Miesmacher bezeichnet. Die Panikmacher behielten leider Recht. Erstes Problem: Wozu brauchen wir
“eine Regierung”, wenn die offenbar unge- prüft die Aussagen von Instituten und Verbänden übernimmt? Zweites Problem: Die Ankündigung, Beiträge würden (dank tüchtiger SPD-Politiker, die folglich zu wählen
seien) nicht steigen, impliziert den totalen Zuständigkeitsanspruch regie- render Mehrheit; vor der Wahl wurde darüber hinaus eine Politik von Modernisie- rung und Sozialer Gerechtigkeit angekündigt; nach der Wahl muss
ihre Realisie- rung zumindest simuliert werden. Nun sind im Herbst 2002 erhebliche SOLL/IST- Abweichungen der Sozialversicherungsbeiträge hinzugekommen. Laufen lassen? Geht nicht. Tüchtige Beamte arbeiten einen
Gesetzentwurf aus, die SPD-Frak- tion bringt den im Bundestag (Drucksache 15/00028
) ein. Sozialgerechte Mo- dernisierung? Widersprüche unvermeidlich. Heftige Vorwürfe der Opposition. Ein unwürdiges Schummeln, gar Lügen greift um sich. Wir erleben reihenweise hochrangige Politiker mit dicken Augen vis à vis von Journalisten die pflichtge- mäß unerbittlich nachfragen. Oder Reden wie die von Ulla Schmidt, Bundesmi- nisterin für Gesundheit und Soziale Sicherung am 15.11.2002 vor dem Deutschen Bundestag. Unglaubliche Oberflächlichkeit, beachten Sie die fett angelegten Textpassagen. Über den Tag hinaus: Mit geistiger Gänsehaut ist zu konstatieren: Politische Lüge bleibt ungestraft, ist schon deswegen tendenziell totalitär. Typisch Sozialismus - zugegeben auch andere politischen Tendenzen sind totalitär.
Mit dem BSSichG beabsichtigt die SPD, den Anstieg der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu begrenzen:
- Gesetzlich angeordnete Preisreduktion von Arzneimittelpreisen.
- Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und der Ren- tenversicherung.
- Halbierung des Sterbegeldes.
- 2003 keine Erhöhung der Leistungsentgelte für Ärzte und Krankenhäuser (Ausnahmen).
- Gesetzlich angeordnete Preisreduktion für zahntechnische Leistungen um 5%.
- Verbot in 2003 die Beitragssätze zu erhöhen (Ausnahmen).
- Verbrauch eines Teiles der Schwankungsreserve der Rentenversicherung.
Sozialgerechte Maßnahmen? Modernisierung? Makroökonomisch: Administrierte Gewinnreduktion für ausgewählte Branchen (1, 4, 5), Entzug von
konsumptiver Kaufkraft (2, 3, 4, 5), Beanspruchung des Kapitalmarktes (7). Gesamturteil: Ad- ministrierte Rezession. Problem: Ein regulierender Eingriff zieht den nächsten nach sich. Modernisierung? Was ist Soziale
Gerechtigkeit? Und was (passiert), wenn zu viele meinen, es gehe (reguliert) in “dieser Gesellschaft” nun doch nicht mehr sozialgerecht zu? SPD: Quo vadis? Hat die SPD eine gedankliche Klam- mer für ihre
Politik? Etwa die nicht definierte Soziale Gerechtigkeit? Seit Mona- ten tönt, muss man sagen, die SPD sie habe Weisheit zur Modernisierung mit Löffeln gegessen. Zur Stunde der Wahrheit jedoch wird bombastisch und unter
entsetzlicher Sprücheklopferei eine neue Kommission berufen, die herausfinden soll, ob es “einen Weg für einen entscheidenen Schritt” zur “Modernisierung” der Sozialen Sicherung gibt. Zeitplan:
Ein ganzes Jahr. Stark, nach den gehabten Ankündigungen in der Wahlkampagne.
(E-3)
Steuer-, d.h., Staatseinnahmenpolitik. Hans Eichel, Bundesfinanzminister, gab dem Handelsblatt ein Interview, das am 21.11.2002 veröffentlicht
wurde. Die Steuerschätzung vom Herbst 2002, das Debakel für die Finanz- und Wirtschafts- politik der SPD war zu diesem Zeitpunkt schon fast Geschichte. (In Klammern Kommentare zu den einzelnen Antworten):
- (01): Die SPD könne einiges, z.B. den Irak-Konflikt, nicht beeinflussen (wer hat das verlangt?).
- (02): Nach dem die Überschreitung der 3%-Verschuldungsgrenze wohl etwas mit der SPD-Mehrheits-Politik zu tun hat, meint Eichel, diese Gren- ze wieder zu unterschreiten, sei ein Beitrag, um das Land voranzubringen (schlau gedacht).
- (03): Die Opposition müsse ihre Verantwortung für (die von der SPD zu verantwortende) schwierige Finanzlage übernehmen.
- (04): Eichel behauptet apodiktisch 2002/2003 würde eine Erhöhung der MWSt die Konjunktur mehr belasten als der geplante Abbau (aller?) der Steuersubventionen. Wettbewerbsverzerrungen (welche?) sollten beseitigt werden (In der Wissenschaft wird jedoch die Meinung vertreten, es sei besser, den Verbrauch zu besteuern
).
- (05): Es sei schwierig die in der Rechtsordnung definierten (Steuer-) Pfründe der Besitzstandswahrer zu beseitigen (Aussage auf der Zunge zergehen lassen).
- (07): Schon oft hat Eichel erklärt, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen zu wollen. Es liege dafür das Fundament (immerhin!). Große Kraftantrengung sei erforderlich, die Verschuldung des Bundes “von” 34,6 “auf” 18,9 Mrd€ zu “verringen”.
- (08): Es sei mit Reformen (welchen?) begonnen worden. In den nächsten Jahren seien gewaltige Anstrengungen zu unternehmen. Die Reform der Kranken- und Rentenversicherung würde zusammen mit der vorgesehenen Offensive für den Bürokratieabbau Beschäftigung fördern und die Haushal- te entlasten (Wenn Eichel nicht einmal von September auf Oktober 2002 die Belastung der Haushalte abschätzen konnte, will er nun Jahre im vo- raus ein solche Entlastung festmachen ...)
- (09): Zum Glück hat sich die SPD im Herbst 2002 entschlossen die Sub- ventionen der BA und der Rentenversicherung in 2003 um 9,5 Mrd€ zu kür- zen (Wachstumsprognose 2003 am 21.11.02: 1,5% - inzwischen unter 1%). Da die Bundesregierung nach derzeitiger Planung immerhin noch 18,9 Mrd€ Neuschulden aufnehmen will, hätten wir 2003 andernfalls Neu- schulden von 28,4 Mrd€ zu verkraften (Im Juni 2002 hatte das SPD-geführ- te Finanzministerium für 2003 jedoch “lediglich” Neuschulden in Hö- he von
15,5 Mrd€ vorgesehen ... Ohne sonstige Effekte, die es gibt, in- nerhalb von 5 Monaten schlapp 13,00 Mrd€ höherer Finanzbedarf ... Stel- len Sie sich vor, verehrte Leser, wir hätten hier eine Planwirtschaft ...)
- (10): Befragt, ob die Streichung der Steuerprivilegien möglicherweise als ungerecht empfunden wird: Die moderate Erhöhung der Dienstwagenbe- steuerung sei nicht ungerecht (sonst nichts? Bitteschön).
- (11): Die Beseitigung der sogenannten Sonderregelungen sollte doch ur- sprünglich mit einer Senkung der Tarife verbunden werden. Dazu Eichel: Mit der bisherigen “Entlastung der Wirtschaft” (Kapitalgesellschaften nicht gleich Wirtschaft) und den Reformstufen von 2004 und 2005 sei genau dies vorgesehen (Falsch: Streichung der Privilegien erst im Herbst 2002 beschlossen; außerdem Reformschritt von 2003 bereits einmal verscho- ben ... Glauben macht selig ...)
- (12): Warum keine Streichung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzu- schlägen? Eichel: Schichtarbeiter und Krankenschwester am unteren En- de der Einkommenspyramide (Dieses Subventionsfossil zu Gunsten der Wirtschaft stammt aus der Zeit der Hochkonjunktur als keine Mitarbeiter, die bereit waren, etwa an Feiertagen zu arbeiten zu bekommen waren).
- (13): Auswirkungen des BVerfG-Urteils zur Rentenbesteuerung? Wir ha- ben eine Kommission eingesetzt ... (zusätzliche Verschuldung 10,00 Mia€?)
- (14): (Einfach davon laufen, will Eichel nicht. Dann eben kompliziert
... gute Buchhalter werden überall gesucht.)
Angesichts der Antworten auf 01, 02, 03, 07, 08, 09, 11 und 12 fragt sich, ob die SPD unter dem Syndrom des abgekochten Hummers oder schlicht
unter kollekti- ver Wahrnehmungsstörung leidet. Hierbei ist Eichel nicht einmal einer der profi- lierten Scharfmacher der SPD. Es verträgt sich eben politische Aktion der SPD nicht mit ihren hehren moralischen
Ansprüchen, etwa Solidarität und schon gar nicht mit dem pharisäerhaften Rekurs auf die Tätigkeit einer Vorgängerregierung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das erwähnte Interview im Han- delsblatt
gibt also Einsichten zur beachtlichen Unverfrorenheit des politischen Verhaltens der SPD: Etwa seit Monaten beklagen SPD-Politiker die negativen Wirkungen einer lahmenden Weltkonjunktur; seit Monaten werden jedoch hohe,
steigende Export-Erfolge gemeldet; zuletzt etwa im Handelsblatt, 12.12.2002, Seite 9, “Deutsche Exporte legen im Oktober deutlich schneller zu als die Impor- te”. Weltkonjunktur Grund für die
“Finanzprobleme” des deutschen Fiskus? Die SPD klagt über die Opposition. Hat die Opposition kein Recht, überzeugt zu wer- den? Meint die SPD die Wahrheit (totalitär?) gepachtet zu haben? Es sieht nicht so
aus, als ob sich die SPD von ihrem sozialistischen Traum verabschieden will. Die Entscheidungen der SPD wirken willkürlich; die SPD operiert mit Begriffen, die auf das abgestellt sind, was in der Öffentlichkeit
“ankommt”. Beispiel: Dienst- wagen, Steuerprivilegien, Versteuerung des Wertzuwachses auf Aktien oder Im- mobilien, Hochvermögende (sollen ironischerweise die jahrzehntelangen Ver- säumnisse der SPD im
Ausbildungswesen zahlen) usw.
(E-4)
Trotz Zuspitzung, insbesondere der verbalen Kommunikation, gelingt es der SPD bemerkenswerterweise nicht, stringent-nachvollziehbare Programme zu
formu- lieren. So ist etwa das Regierungsprogramm der SPD schwammig, kaum kon- kret formuliert. Dennoch hat die SPD in der Wahlkampagne konkrete Vorstellun- gen bei den Wählern geweckt; anders wären die im Herbst 2002
sehr populären Lügen-Vorwürfe gegen die SPD und Gerhard Schröder (Kanzler-Song) nicht zu erklären. Um so überraschender wiederum das unsägliche Dokument des Koali- tionsvertrages vom 16.10.2002; obwohl zuzugeben ist, dass die Diktion des Koalitionsvertrages für die SPD nicht typisch ist, wäre es sicher nicht gerechtfer- tigt, die Kritik an diesem Dokument bei den Grünen abzuladen. Also ein SPD- Dokument.
(E-5)
Ein relativ unwichtiger Vorgang. Per Internet wehrt sich die SPD: “Die BILD- Zeitung hat unter Berufung auf einen angeblichen Bericht des
Bundesrechnungs- hofes berichtet, dass das Rentensystem vor dem Zusammenbruch stehe ...”. Des weiteren wird argumentiert:
- “Die Maßnahmen der Bundesregierung stellen sicher, dass die Auszahlungen der Renten jederzeit gewährleistet sind”.
Kommentar: Aufgrund der Gesetzeslage (nicht “der Maßnahmen”) ist die Bundesregierung verpflichtet ...
- “Der Beitragssatz von 19,5 Prozent garantiert, dass genügend Mittel für die Rentenauszahlungen bereit stehen”. Ein
Beitragssatz garantiert gar nichts. Richtig wäre: Sollte der Beitragssatz von 19,5% nicht ausreichen, können wir, Grünrot, jederzeit den Satz erhöhen ...
- “Die Rentenversicherung verfügt über ausreichend Liquidität”. Kommen- tar: Die Aussage täuscht; darauf kommt es gar
nicht an - siehe 2.
Der unveränderte Text steht hier zur Verfügung: Raffiniert formuliert, raffiniert aufgebaut und verlogen. Die SPD (deren Krise hier kommentiert
wird) erhebt die Bundesregierung (damit sich selber) zum Zampano, der für Sicherheit und groß- zügig gefülltes Rentenhorn sorgt. Wahrheit: Die herkömmliche Gesetzeslage ist überwiegend Konsens in Deutschland.
Rentenzahlungen sind gewährleistet, weil aufgrund des staatlichen Gewaltmonopoles die Beitragszahler jederzeit zu höhe- ren Abgaben angehalten werden können. Nicht die SPD-geführte Bundesregie- rung leistet ...
Kavaliersdelikt? Jedenfalls Lüge, im zugegeben Kleinen. Lügen die Kleinen weil die Großen lügen oder lügen die Großen weil die Kleinen lügen? Komplizierte Gemengelage. Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit der SPD stürzen ins
Bodenlose. Im Großen und im Kleinen. Also, leider, die SPD insgesamt.
Die pharisäerhaften Wendungen von Otto Schily, unser Verfassungsminister, im Rahmen der Antworten zu den Fragen 03, 04, 05 eines DLF-Interviews am 15.12.2002 lassen Selbstkritik, auch Einsicht nicht erkennen. Schade.
(E-6)
SPD also zwischen Dichtung und Wahrheit. Das passt nicht zur verkündeten Tra- dition der SPD; und es passt insbesondere nicht zum Auftrag, der im
Grundge- setz für die Parteien, teilweise finanziert aus Steuermitteln, im demokratischen Deutschland formuliert ist.
Nun sind noch so viele Beispiele kein Beleg für die Richtigkeit von Aussagen, welcher Art auch immer. Daher wird “andersherum” notiert:
Die SPD (als Ganzes, also abgesehen von Einzelstimmen) fährt spätestens seit 1995 die für Volksfrontparteien des vorigen Jahrhunderts typische
Ve- relendungs-Strategie. Diese Strategie besteht darin, die Festung “Marktwirt- schaft/Demokratie”, etwa durch systematisches Herbeiführen wirtschaflticher Schwierigkeiten, (
selbstverständlich sehr diskret) sturmreif zu schießen; ist eine Volksfront-Partei “an der Macht” kulminiert diese Strategie dann mit Maß- nahmen “in der Not”, die durch fallenden
Demokratie-Pegel und Verstaatlichung gekennzeichnet sind. Die folgende Aussage ist ohne Zweifel hart: Jede Maß- nahme der SPD seit 1995, ist der sozialistischen, staatswirtschaftlichen Zielsetzung untergeordnet.
Die Bekenntnisse zur Marktwirtschaft sind nichts als Lippenbekenntnisse, der Vermeidung sofortigen Wahldebakels geschuldet; dies alles ist plausibel, wenn man sich die Handlungen der SPD auf den relevan- ten
Politikfeldern vor Augen führt: Einheizen und Dulden überzogener Tarifforde- rungen, keine Bereitschaft das Tarifkartell zu lockern, Provokationen in Zusam- menhang mit der Ausländerpolitik, weiteres Einheizen per
Sozialhetze (Vermö- genssteuer), Steuerreform zum Nachteil des Mittelstandes, keine emanzipatori- sche Bildungspolitik, keine systematische Politik für Entstaatlichung, statt des- sen Denunziation entsprechenden
Vorgehens der Opposition in den Kommunen, Zerstörung der Atomindustrie (unter dem Vowand von Umweltschutz), Bürokra- tie-Monster Riester-Rente, usw. Anmerkung: Seit Popper wissen wir, dass eine Theorie, These, usw.
schon dann falsch ist, wenn ein einziges Gegenbeispiel gefunden wird. Nur zu, Jünger der Aufklärung. Die Suche wird wohl lange dauern.
Es gibt, zugegeben, trotz allem einzelne Marktwirtschaftler in der SPD. Können wir uns für derartige Orchideen “was” kaufen? Also:
SPD-Politik heute ist insge- samt ein Lügengebäude; als Ganzes
fehlt der SPD Einsicht und Wille zur Wahr- haftigkeit. Wenn wir Pech haben, wird daraus ein ausgewachsener Sozialismus; wenn wir Glück haben, kann die SPD zerbrechen. Demokraten die wir sind, soll- ten wir ganz schnell vergessen, dass in 14 Tagen Weihnachten (2002) ist ...
(F) Die neue Befindlichkeit der SPD: Ende 2002
Krise also der Sozialdemokratischen Partei?
Welcher SPD? Derjenigen, die in Bad Godesberg definiert wurde, im wesentli- chen bis 1994 sich so verstand: Schutz, Hilfe, Fürsorge der kleinen Leute unter den Bedingungen von Marktwirtschaft, sozialer, einer Position die inzwischen zu blankem Opportunismus verkommen ist. Das Tragische, der Irrwitz: Je mehr Menschen meinen, sie seien kleine Leute, also desto weniger existent der Sozial- und Wohlfahrtsstaat einerseits; desto größer andererseits der Wahlerfolg der SPD? (Kein Wunder, dass auch die CDU/CSU beansprucht Politik für “kleine” Leute zu machen.) Nur: Was ist, wenn alle Deutschen dereinst kleine Leute sein werden? Spätestens dann wäre der von der SPD propagierte Sozial- und Wohlfahrtsstaat Illusion und die SPD gescheitert. Klassischer Widerspruch. Die Extrapolation
dieser Entwicklung: Entweder die SPD geht ein oder sie ent- wickelt sich definitiv zur sozialistischen Partei. Das ist das eine Krisenszenario der SPD.
Das andere Szenario: Der Mainstream der SPD fühlt und will - längerfristig belie- big ausgewachsenen - Sozialismus der herkömmlichen Art. Dies heute offen zu vertreten, katapultierte die SPD in Richtung 15 % (die Grünen möglicherweise in ähnliche Größenordnung). Also operiert die SPD (pseudo)marktwirtschaftlich in Verbindung mit diskretem Sandwurf in jedes Getriebe als Beschleuniger (Anti- amerikanismus, multikulti-Provokation der nationalen Rechten, überzogene Mit- bestimmung, Zerstören der EK-Basis “der Wirtschaft” durch übezogene Lohn- steigerungen). Mehr Wohlstand bei eingewebter sozialistischer Gesinnung. Kapi- talistischer Wohlstand gebaut auf sozialistischem Underground. Zumindest ein Spagat. Einige müssen überzeugt haben, das ginge - etwa im Kleid eines Dritten Weges. So kommt es zum Einheizen von sozialer Gerechtigkeit durch Schüren von Sozialneid, machohafter Überheblichkeitspose und hemmungsloser Denun- ziation von sozialer Kälte gegen alle, die den gedanklichen Rammbock liefern könnten. Verfassungsbruch? Kein Problem, denn wir bauen das Paradies. Pro- blem dieser Strategie: Die Menschen wollen vor dem Eintritt in das Paradies - nachvollziehbar - jetzt etwas zum Beißen haben. Also muss die Absicht, dieses Szenario herbeizuführen ebenfalls scheitern. Resultat: Ebenfalls SPD-Krise.
Schade, dass eine demokratisch angelegte Partei mit unzweifelhaften Verdiens- ten in solches Dilemma kommt. Wir steuern auf eine - heute
(2002-2004) sicher noch abwendbare - ausgewachsene SPD-Krise zu. Da sowohl der opportunisti- sche wie der sozialistische
Weg für die SPD verschlossen ist, müsste sie sich, möglichst bald, besinnen: Auf Wahrhaftigkeit, auf Marktwirtschaft, dem Pendant von Demokratie. Tragisch, weil schwierig: Die SPD muss sich zu Positionen be- kennen, die die gesamten heutige Führungscrew vor Amtsübernahme verworfen hat. Ob etwa die SPD-Bundestagsfraktion angesichts der dominierenden Mei- nungsmasse solchen Kurswechsel herbeiführen kann, erscheint zweifelhaft. Au- ßerdem ist fraglich, ob die SPD für diesen Kurswechsel heute und 2002ff eine Wählerbasis findet. Die Sozialhetze der neunziger Jahre ist mit dem Handstreich nicht zu überwinden; insofern ist die SPD zwischen Krise und Krise gefangen.
Ob Kohl und die CDU/CSU mit der SPD im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahr- hunderts “vernünftig” umgegangen sind, ist durchaus eine
Frage des Gewissens - dem Gewissen der CDU/CSU ...
(G) Die Zahlen stimmen nicht mehr: 2002 - Herbst 2004
26. Mai 2004:
So war die Stimmung um die Jahreswende 2002/2003. Da ist - inzwischen - viel Geschichte drin. Zusätzliche Dokumente sind heute in die Betrachtung einzubeziehen: Das
Regierungsprogramm der SPD von 1998, das ”Kanzleramtspapier” vom Dezember 2002 und das Material in Zusammenhang mit den “Reformen”, die am 14.03.03 endlich starteten, nach aktuellem SPD-Jargon: “auf den Weg gebracht wurden”. Das Bild um die SPD verdüstert sich dadurch weiter, wie es auch die Entwicklung der Umfragen zeigen: Konnte die SPD im Laufe des Jahres zeitweise über die 30% Marke lugen, dümpelt sie seit Anfang 2004 knapp über 25% - obwohl Schröder von dem Parteivorsitz zurücktrat. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise, hat auch der Entlastungsangriff “Bildung und Innovation” mit der Billig-Parole “Eigenheimzulage in Bildung investieren” zumindest bisher der SPD keine Wende erbracht. Zwar wollen und würden Schröder, Müntefering sowie die Mehrheit in der Führungsetage gerne neu schminken, aber die SPD hadert, nicht einmal das will gelingen. Die Frage ist: Worüber hadert die SPD eigentlich? Mit sich selber?
Dass die SPD kann - wenn sie will - zeigt der Kompromiss zur Zuwanderung
vom 25. Mai 2004. Endlich, eine Chefsache, die hinhaut - insbesondere weil es eine gute Maßnahme ist, die Sache von Chefs (Schily, Muller, Beckstein) nun fertigstellen zu lassen.
(H) SPD verliert Puste. Schatten ihrer selbst: Herbst 2004
22. Oktober - 10. November 2004:
Agenda heute eher ferner Donnerhall, als Reform-Blitz. Statt (Jahre zu spät) am 1. April 2003 die Sätze der Arbeitlosenhilfe auf das Sozialhilfe-Niveau (ALG II) zu senken und schnellstens in das Sozialge- setzbuch zu schreiben, dass jede legale Arbeit zumutbar ist, hat die SPD-Füh- rung ihren eigenen Leuten und der Öffentlichkeit die Reorganisation der Ar- beitslosenverwaltung (Kosten schlappe 200 Mio €)
als "Reform am Arbeits- markt" (das LT: "vorbei") verkauft. Anders ausgedrückt: Angesichts von 4-5 Mio Arbeitslosen so wie weiteren 7,5 Mio (vom Spätstudenten bis zum Frührentner), also 12 Mio systematisch von Erwerbstätigkeit Marginalisierten hat Grünrot, von der Bundesregierung angeführt, keine bessere Idee als die Administration des Elends "auf den Weg zu bringen". Niemand hat diesen Unfug bemerkt, ver- mutlich nicht einmal die Autoren in ihrer Trance zu regel-regeln-regeln, statt Men- schen von Menschen (-regeln) zu befreien. Die größte, "weitreichendste" Sozial- reform seit Bestehen der Bundesrepublik soll das sein. Politische Umnachtung? Gefangen in der Lüge von 1998 dieser die nächste Lüge nachgeschmissen?
Wenn das keine Krise der SPD ist.
Wer erinnert nicht markige BT-Reden von Lafontaine, Mathäus-Meier, Scharping, Schröder oder Dressler vor dem 29. September 1998: Wir sind modern, investie- ren in
Bildung, machen keine Schulden und sind bärenstark für Sozialgerechtig- keit den Schwachen und Ausgebeuteten in "dieser Gesellschaft".
Mitte Oktober 2004 nun teilt der Vorstand von GM per PM mit, dass
nach 5 Jah- ren herber Verluste, Opel 12.000 "Stellen abzubauen habe". Innerhalb weniger Stunden wurden 40.000 Menschen in Bochum durch den Tunnel der nackten Angst gejagt. Die Rahmenbedingungen, das
gesellschaftliche Klima dazu (viel Sozialhetze, wenig Bildung) haben SPD, Grüne, Gewerschaften offenbar wir- kungsvoll geschaffen: Verelendungsstrategie, hier geistige, das probate Mittel der Sozialistenschaft seit
1921. So wie der Bäcker vom Hunger der Kunden, leben Funktionäre von der Angst der Unwissenden.
Und was unternimmt die sonst vor verbaler Sozialgerechtigkeit kraftstrotzende SPD? "Managerversagen" konstatieren kaltschnäuzig Clement, Schröder und andere. Wars das? Nein, 7 Tage nach der GM-PM - die Arbeiter im Bochumer Opel-Werk weigerten sich bereits seit Tagen zu arbeiten - kommt eine Solidari- täts-PM. Dieses mal
aus der Holzmann-erfahrenen SPD-Zentrale, im Internet perfekt dokumentiert. Was können sich die Arbeiter bei Opel für solch an Lauheit nicht zu überbietende Solidarität wohl kaufen? Gut gekämpft hätten sie. Sieben Tage
Arbeitsverweigerung sind damit gemeint. Sollen die Arbeiter bei Opel den Ast absägen, auf dem sie sitzen? Dienstwagen werden von den Mitglieder "der Regierung" schließlich so wie so benötigt.
Wenn das
keine Krise der SPD ist; erschwerend kommt hinzu, dass die Partei ihren Führenden keine Gratis-Tickets in die Wüste besorgt. Im Gegenteil: Die Partei klammert sich an ihre Führung - viele denken eben an ihre Familie ...
und ihre Karriere. Es schweigen aber auch etwa Helmut Schmidt, Hans-Jochen Vogel, Klaus von Dohnanyi und Peter Glotz.
Nichts Neues im Westen? Doch, Hans Eichel verkauft "Aktiva" mit horrenden
Abschlägen, verschiebt Zahlungstermine. In der BWL laufen solche Maßnahmen unter dem Titel: "Wie wehrt ein Unternehmen die drohende Pleite ab". Da Grünrot nicht abtritt, müssen sie der Meinung sein, es richtig
zu machen. Mehr Marktwirtschaft oder nur mehr Sozialismus?
Genug Reformen meint Müntefering im August ... die Reformen gehen weiter, meint Schröder.
Die Handbremse und nichts Genaues weiß ich nicht. Nur dieses: Das Tal des Elends scheint breit und tief zu sein.
Wenn all das keine Krise der SPD sein soll ...
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