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Stand: 27./26. Mai 2003, 14:00

Wo gehobelt wird, fallen Späne ...

denn 100% Perfektion ist 0% Effizienz. Keine Aufregung? Besser, denn es ist nicht sinnvoll Journa- listen zusammenzuscheißen, wie Helmut Kohl es vor Kurzem mit einem Kamerateam der ARD trieb. Auf der Suche nach den Ursachen deutschen Wurmes 2003 stößt man aber immer wieder auf Aus- sagen, die in der Medienwirtschaft produziert, die Malaise katalysieren. Bei allem Verständnis für die Wettbewerber des Liberalen Tagebuches, die schließlich etwas zum Beißen haben wollen, ist gelegentliches Gegenhalten daher geboten; Schweigen könnte nämlich als Zustimmung, gar Schwäche ausgelegt werden ... schließlich wollen Liberale freundlich, selbstverständlich tolerant aber nie Pappkameraden sein.

Wenn früher ein Medienunternehmen mal “daneben” griff, konnte lediglich mit “Bitte, bitte ... ganz gnädig ein Leserbriefleinchen?” reagiert werden; darüber hinaus war es stets sehr empfehlenswert den Medien den totalen Diener zu machen. Unsere Medien sind Hochleistungsunternehmen, aber der Versuchung des Politfilzes können die dort Tätigen, menschlicherweise, nicht immer widerste- hen. Heute ändert sich Vieles:

Wer “daneben” greift (und wichtig genug ist) bekommt seinen Konter per Internet. Hierbei ist die “Kriegslage” in mehrfacher Hinsicht asymmetrisch und mitnichten nur für die hoffentlich profitablen Medienunternehmen von Vorteil. Da- raus folgt: Für die Medienunternehmen “wird es zunehmend interessant”, den Korrektheitsgrad von Berichterstattung und Kommentierung fühlbar in Richtung 100% zu verändern.

 

Aus gegebenem Anlass zum Super-Mega-Flop “ Die Gewerkschaften verlieren ihre Partei”, Handelsblatt vom 22. Mai 2003, Seite 7:

Die Gegenthesen vorab:

  1. Pragmatismus: Gewerkschaften verhalten sich wie normale Unterneh- men: Sie bedienen ihre Kunden.
  2. Verelendung: Unter Gewerkschafts-Funktionären und Gewerkschafts- Mitgliedern (den Kunden) ist der Anteil von Kryptosozialisten relativ hoch; die Strategie der Systembelastung, Systemstörung und schließlich Sys- temüberwindung ist aus sozialistischer Sicht optimal und seit Jahrzehn- ten, auch andernortes, als Minimax-Strategie vielfach erprobt: Wie störe ich bei minimalem Einsatz eigener Ressourcen (Geld, Ruf, Standing, Fol- gestrategie) das gegnerische System maximal: Herauf mit den Löhnen, schon wegen der Gerechtigkeit, der sozialen ... Und den Kunden wird das gefallen. Pragmatisch Verlendung verfolgen.
  3. Systematik: Das aktuelle Verhalten von Gewerkschaften u. ihrer politi- schen Abteilung, die SPD, ergänzen sich strategisch in nahezu idealer Weise: Vorne hui, hinten pfui.

Der Autor, Hans-Peter Müller, “Gewerkschaftsforscher”, behauptet (fett):

  • Die Gewerkschaften seien ideologisch auf Wachstum gepolt. Falsch. Statt dessen: “Verelendung” im Mantel von “Pragmatismus”.
  • Der deutsche Koporatismus habe großen Anteil an der ... Stabilität der Republik: Woher wissen wir, ob “ohne Korporatismus” die Stabilität hier geringer gewesen wäre? Der Korporatismus ist eher Ausdruck von heterogenem “Filz”, der Sorglos-Korruption, Inkompetenz-Koalitionen, ha- nebüchene Oberflächlichkeit und krasse Irreführung der Öffentlichkeit (et- wa perfekter Kündigungsschutz bei Vollbeschäftigung, paritätische Finan- zierung der Sozialkassen in der Hochkonjunktur, schlechte Praxis von Mitbestimmung) neben sicher auch guten Leistungen hervorgebracht hat.
  • Die Öffentlichkeit habe ein “Gespür” für übermäßigen Einfluss der Gewerkschaften. Falsch: Diese Erkenntnisse sind das Resultat nüchter- ner Analyse; einiges davon findet durch den Mediendschungel seinen Weg in die Öffentlichkeit.
  • Der Kern des Konfliktes zwischen Gewerkschaft und SPD drehe sich um die Definitionshoheit zu “soziale Gerechtigkeit (sG )”. Total falsch. Die sG ist Instrument der Mobilisierung, die Verelendung beschleu- nigt. Der DGB-SPD-Konflikt ist perfekt, mindestens instinktiv und gekonnt orchestriert; es lauert immerhin die PDS; andererseits wollen “white-collar- Wähler” “gehalten” sein. Klamme Kassen erzwingen eine Doppelstrategie für die - aus der Sicht von Gewerkschaften/SPD - zum Glück zwei Organe bereit stehen. Es passt einfach alles.
  • Die SPD müsse die politische Souveränität zum Thema soziale Ge- rechtigkeit zurückgewinnen. Falsch. sG wird zunehmend als Floskel mit schwacher ökonomischer Grundlage erkannt; nicht ohne Grund hat Peer Steinbrück (SPD) versucht/vorgeschlagen , die herkömmliche Bedeutung von soziale Gerechtigkeit kurzer Hand zu nirwanisieren.
  • Die SPD müsse generell die Souveränität gegenüber den Gewerk- schaften wiedergewinnen. Alles falsch. 75% der SPD-Bundstagsfrak- tion sind Mitglied der Gewerkschaft. Welche Souveränität soll das sein? Die SPD ist Gewerkschaft; logisch rational und emotional, langjährig erprobt. Es ist im übrigen das gute Recht der Gewerkschaft “sich eine Partei zu halten”. Kein Demokrat kann dagegen einen Einwand erheben. Ob die resultierende Politik “richtig” ist, steht selbstverständlich auf ande- rem Blatt.
  • Die SPD müsse fest bleiben (letzter Absatz). Materiell ist dies nicht einmal bezogen auf die Erklärung des Kanzlers vom 14. März 2003 der Fall (Michael Sommer, DGB-Vorsitzender, gemäß Nachrichten des DLF am 26. Mai um 7:30 und gemäß News-Ticker von DIE WELT.de dem Sin- ne nach: “Proteste erst im Herbst, man habe die gröbsten Klötze besei- tigt”). Warum wohl, blieb der Kanzler nicht-fest?

Fazit A: Hinter dem Schleier der orchestrierten Auseinandersetzung zwischen SPD und Gewerkschaft wird vermieden, die sogenannten strukturellen Proble- me überhaupt zu erwähnen . Begleitet von monstruösem Tam-Tam wurde nichts als Sozialpolitik nach Kassenlage gemacht; die “Einsparungen” können später leicht wieder rückgängig gemacht werden, denn die strukturellen Bedin- gungen für D’lands Geisterfahrt an die Wand ändern sich bei Umsetzung der sogenannten Agenda 2020 nicht; dies ist offenkundig Absicht. Ob die CDU/CSU diesen Mangel schultern oder überwinden kann und will? Heute ist 26.5.2003; bald werden wir es besser wissen.

Fazit B: Durch den Beitrag “ Die Gewerkschaften verlieren ihre Partei” zieht sich der rote Faden entfremdender persönlicher Auseinandersetzungen. Es gibt Krach; da gibt es Paarungen von Einzelnen oder kleineren Gruppen, die sauer aufeinander sind. Kein Wunder, denn die SPD ist derzeit doch nicht besonders erfolgreich. Übersieht Hans-Peter Müller darüber hinaus das hoch belastbare, enge personelle Geflecht ziwschen Gewerkschaften und SPD? Ohne Zweifel wirkt potenziell “die Auseinandersetzung” unter den Spitzenleuten für das Bünd- nis von Krypto- und Neosozialisten wie Dynamit. Aber konkret so weit, sind wir noch lange nicht. Im übrigen hat der Krach unter den Sozialisten die angenehme Nebenwirkung die hier postulierte Orchestrierung der Strategie zu verbergen.

Auch wenn der Autor suggestiv als “Gewerkschaftsforscher” bezeichnet wird: Was bloß hat den Autor zu solcher Fehlanalyse bewogen und das Handelsblatt den Beitrag, kommentarlos, zu veröffentlichen? Große Koalition ante portas?

Wo  in  Deutschland  ist  der  berühmte  Lichtknipser?

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