Home (Intro)
aktuell
Liberale 50%?
BT-Wahl 2002
BT-Wahl 2005
Themen
Köln
NRW
Deutschland
Europa
Die Welt
dies und das
5. Februar 2006
21. Mai 2006
7. Juli 2006
9. Februar 2007
1. Januar 2009
Liberale an Kap Horn

Stand: 9.+10. Februar 2007, 13:30

 

Ticken die Menschen nicht richtig oder ist weitergehend gar keine Basis für zielführendes “Ticken” gegeben?

 

Gehen wir, sicher berechtigt, davon aus, dass jedermann leben und überleben möchte.

Bei aller
Problematik eine treffende Selbstreflexion über den “Zustand” die- ser Gesellschaft, d.h., der Individuen, den Elementen (Organen) dieser Gesell- schaft, zu bringen ist u.a. unter Kulturpessimismus, Soziale Degeneration, Affären, Sozialpolitik nach Kassenlange im Liberalen Tagebuch bereits ein Befund zusammengetragen, der schwerwiegende Funktionsmängel “dieser Gesellschaft” aufzeigt.

Außer
Frage steht: Der kulturelle Fundus aus Jahrhunderten trägt noch lange, die Verfassungsordnung ist robust, die Justiz arbeitet vertrauensvoll und verlässlich, der Bildungsgrad lässt (und muss) sich verbessern, der technische Wissensstand ist zumindest gut, kommunale und nationale Infrastruktur so wie Bauten aller Art sind noch ausreichend instand gehalten; es sieht in Deutschland vergleichsweise ordentlich aus.

Gleichwohl ist hier, verbreitet so gefühlt, irgendwie
der Wurm drin . Es soll nicht über den Verfall von herkömmlicher Moral, Familie, Sekundärtugenden o.ä. Wer- ten geklagt, gar gerichtet werden. Nicht aus Rücksicht gegenüber Konservativen oder Sozialisten, sondern weil die Klage über den Verlust herkömmlicher Werte zu kurz greift.

(A)

Der aussagekräftige Befund muss an der Wurzel, zumindest an Grundsätzliche- rem ansetzen.

Wollen die Individuen leben, sind folgende Voraussetzungen in der notierten Rei- henfolge unabdingbar:

  1. Überlebensinstinkt, -triebe und -sinn, insbesondere gefestigt durch (2-5):
  2. Reproduktion
  3. Erwerbstätigkeit
  4. gesellschaftliches Bewusstsein
  5. nicht unmittelbar konsumtive Güterakkumulation

Ohne nähere Prüfung wird erkennbar, dass es genau hieran hapert, d.h., alle “fünf Instinkte” einen Teil der früheren Prägung verloren haben. Noch vor einigen Jahren konnte festgestellt werden, dass zwar Wünsche explodierten, die Leistung dem aber zunehmend nicht (mehr) entsprach. Inzwischen nimmt die Zahl derer zu, die um nacktes Überleben kämpfen, zumindest ihre Lage so empfinden.

Nicht
im Einzelnen, aber im Ganzen ist der Befund gravierend, denn je nach Grad der Beeinträchtigung der menschlichen Instinkte, könnte sogar die Frage nach dem Lichtschalter gestellt werden. Was also ist zu tun, wie ist vorzugehen?

Zunächst ist falsch, dem Pessimismus den freien Lauf zu lassen. Ist der Befund falsch, gibt es keinen Anlass zu Pessimismus; andererseits und eben andern- falls ist der menschlichen Intelligenz eigen, das Nötige zur Überwindung des höchst unbequemen Zustandes zu unternehmen.

Sicherlich sind es Menschen, die mal mehr mal weniger, durch ihr Handeln oder Unterlassen zu dem skizzierten Zustand beigetragen haben. Allerdings führt es auf Abwege, die Lösung darin zu sehen, die Bösen im Film zu kennzeichnen. Denn einerseits kann jedermann der Irrtum der Einschätzung unterlaufen und außerdem wäre dann die Gefahr dem Totalitarismus zu verfallen naheliegend zu groß. Daraus folgt zunächst, jedem Handelnden von NPD bis
SED die jeweils, sicherlich mit nicht bestimmbarer Irrtumswahrscheinlichkeit behaftete, gute Ab- sicht zu unterstellen. Dies verschlimmert zunächst die Einschätzung der Lage: Jene, die falsch handeln, wissen folgerichtig mit dem Prinzip der sozialwissen-
schaftlichen Unbestimmtheit
nicht, was sie tun, um es mit dem klassischen Satz aus der christlichen Lehre auszudrücken.

(B)

Bis hier gibt es keinerlei Wertung; dabei muss es konsequenterweise bleiben. Dies enthebt nicht, den Grad des Instinktverlustes im Einzelnen zu betrachten und dies (in beliebiger Reihenfolge) mit Meinungen und Verhaltensweisen zu be- legen, die objektiv beobachtet werden können. Beispielsweise:

  • Beim obwaltenden Rentensystem ist der Einzelne nicht gehalten, Güter für später, etwa das Alter oder die Kinder zu akkumulieren
     
  • In der hocharbeitsteiligen Gesellschaft verliert der Einzelne als Organ der Gesellschaft die persönliche Einsicht in die Bedeutung seines Beitrages zum kollektiv erwirtschafteten Ertrag; dies wird durch die Tatsache ver- stärkt, dass es weniger Berufe als Menschen gibt, Einzelne bezüglich ihrer Funktion austauschbar, ersetzbar sind.
     
  • Das gesellschaftliche Bewusstsein wird durch mangelnden Überblick über das Ganze geschwächt. Die übergeordneten Ordnungsprinzipien werden nicht ausreichend eingehalten. Der Einzelne hat zu wenig Metawissen und versteht die Makroprozesse nicht.
     
  • Die staatlichen Institutionen/Unterinstitutionen nehmen als “Problemlöser für alle individuellen Lebenslagen für den Fall der Fälle” vom Einzelnen den Druck, sich selbst zu behaupten. Dies wird durch die weit verbreitete An- sicht verstärkt, dass die Einen die Anderen ausbeuten; wozu also die Mühe zum Erwerb?
     
  • Andererseits steht die Ansicht im Raum, dass es “uns” doch relativ gut geht, die als Staat organisierte Gesellschaft reich ist. Warum also Risiken eingehen? Warum die Mühe der Aufzucht von Kindern? Rente wird doch aus der Staatskasse gezahlt.
     
  • Das gesellschaftliche Bewusstsein wird durch die “staatliche” Wohlfahrt, die systematisch Mensch-Mensch-Beziehungen durch Mensch-Staat- Mensch-Beziehungen ersetzt, beeinträchtigt. Befund: Die Gesellschaft ist gespaltener denn je.
     
  • Kindermangel mindert den Instinkt für Güterakkumulation und umgekehrt.
     
  • In der Massengesellschaft spekuliert, durch Widrigkeiten attackiert, der Einzelne darauf, anders als der unglückselige Nachbar durchzukommen. Persönliche Leistung sei nicht erforderlich; im Übrigen, genügend und vor allem ratsam, mit dem Strom zu schwimmen.

Weitergehend ist festzustellen, dass die erwähnten “Zustandsgrößen” Eingangs- parameter von Prozessen mit positiver, verstärkender Rückkopplung sind.

Es liegt in der Natur des politischen Diskurses, der politischen Auseinanderset- zung, dass die vorstehenden Ausführungen als solche der lediglich liberalen Ab- sicht gekennzeichnet, möglicherweise denunziert werden. Dem ist entgegenzu- halten, dass Gedankengang und Argumentation, solange das Poppersche Prin-
zip der Falsifikation
beachtet wird, nicht ursächlich wegen der liberalen Sicht- weise falsch sind. Aber: Wenn es der Liberale so klar sieht, ist schon zu fragen, warum es nicht gelingt, die erforderliche Mehrheit zu überzeugen (1). Dazu gibt es selbstverständlich jede Menge Erklärungen. Allerdings kommt es auf die Re- sultate an. Also sitzt jeder Liberale mit Nationalen, Sozialisten u. Konservativen im gemeinsamen Boot kollektiven Irrens. Zu Überheblichkeit hat kein Liberaler Anlass; das Gleiche dürfen Liberale von Andersdenkenden erwarten. Toleranz ist eine wichtige, ja unverzichtbare gemeinsame Basis für Handlungen, die für alle von Vorteil sind.

Aus Toleranz folgt Gelassenheit. Sollte also, durchaus wider Erwarten, die Ge- sellschaft (noch) sozialistischer werden, so genügt es eben, gelassen abzuwar- ten. Spätestens kurz vor dem Untergang aller, wird die Umkehr stattfinden.

Die Liberalen als Hauptschuldige zu bezeichnen ist selbstverständlich falsch. Gleichwohl kommen jene Schwächsten, die auf dem Weg bis kurz vor dem Un- tergang auf der Strecke bleiben, sehr wohl anteilig auf das Konto der Liberalen. Dies zu konzedieren ist ein Aspekt liberaler Ethik.

(C)

Und jetzt üben wir Liberalismus: Jeder kann den Film der Argumente im Ab- schnitt (B) vor seinem geistigen Auge durchlaufen lassen ... und seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Fragen und weitergehenden Erläuterungen wird sich kein Liberaler entziehen.

Das Ausmaß kollektiven Falschdenkens ist durchaus erschreckend. Aber genau das ist die Chance für alle. Freiwillige, die sich den Vorwurf, Vertreter unmorali- scher Programme zu sein, um die Ohren hauen lassen wollen, dürfen sich mel- den. Liberale bleiben freundlich und tolerant, sind aber nicht bereit, den Pappka- meraden zu spielen. Die miserable Lage hat auch so gesehen viel Potenzial zur Besserung.

---------------

(1) Diese Frage, dieses Denken sind nicht das Ergebnis von Resignation oder Hoffnungslosigkeit, sondern Ausfluss prinzipiell liberalen Denkens.        

.

Zur Lage